Diese Idee, nämlich einfach mal meine Wohnung zu beschreiben, ganz schlicht, kam mir, als ich etwas über Karl-Markus Gauß las. Der hat das Buch 'Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer' veröffentlicht. Er soll ja ein Meister der Ablenkung sein, also der ziellosen Wahrnehmung und Beschreibung. Mit vielen freien Assoziationen und Abschweifungen über mehrere Seiten.
https://orf.at/stories/3116004/
Das Buch selber habe ich nicht gelesen. Noch nicht mal eine Probe. Ich will meinen eigenen Stil wahren, selbst wenn der keiner sein sollte, und darum ab heute jeden Tag etwas über mein Zuhause schreiben. Schlichte Fingerübungen, bis es draußen hell wird.
Heute: Meine Wohnungstür
Sie ist aus massiver Eiche und inzwischen so um die 250 Jahre alt. Das weiß ich aufgrund der Kaufunterlagen, denn einst war sie Teil der Einrichtung einer Kirche in England. Jeder kleine Dorf-Landlord stiftete gegen Ende eines sündenvollen Lebens seinem Ort ein Gotteshaus. Das Holz für die Inneneinrichtung kam als Ballast in den Handelsschiffen auf der Rückfahrt von erträglichen Exportgeschäften aus fernen Ländern. Mahagoni, Rosewood, Pinie, (Aber nicht so langweilig, wie Ikea-Kiefer, sondern herrlich gemasert und so hart wie … genau … Hartholz), Teak, Zeder …
Aber da die Unterhaltskosten später den Glauben an die Wirksamkeit von Gebeten für die Seele des Stifters minderten (Es gibt/gab keine Kirchensteuer) wurden diese eindrucksvollen Beispiele der englischen Tischlerkunst aus einer Zeit, als so was nur wenig kostete, auf das Festland verkauft. Ein Stck. Kircheninnenleben für 20 Kracher (Damals D-Mark) ergaben zwei zwanzig Meter-Trailer. Selbst als Brennholz wäre es noch saubillig gewesen: Kanzel, Wandverkleidungen, Bänke, Blei- und Ätzglasarbeiten, Säulen, Schnitzereien … Classic Interiors nennt sich das Zeugs.
Die Zarge ist leicht überdimenioniert, ihre Einfassung ein stilistisches Gedicht incl. Säulenattitüde im Dialog mit überflüssigen Korbels unter Flachgesimsen auf 300 mm Sockelabschluss, das Türblatt eine Rahmen und Füllungen Konstruktion mit breiten Angeberleisten. Das Ganze Ding ist 56 mm stark, hat einen alten Messingknauf und ein modernes Schloss. Ich habe vor Jahren selber mit einer Lamellofräse (völlig bescheuert, der Meister hat herzhaft gelacht) einen Schlitz erstellt und erst etwas Silikon und dann eine Haifischgummistegdichtung rein gekloppt. Unten hat's eine neue Bürstendichtung – das Ding zieht dennoch enorm. Besonders bei Südwind und den haben wir hier fast ausschließlich.
Jeden Abend in diesem Winter klemmte ich ein Hölzchen zwischen Rahmen und Blatt und drückte die Tür fest in den Rahmen. Unten legte ich einen Teppichrest hin und so minderte ich den Zug. Ein wenig Luftaustausch ist ja angenehm. Als junger Mann schlief ich IMMER ohne Heizung und mit offenem Fenster.
Die Oberfläche ist innen original (von mir nur mit Alkohol und Schellack abgerieben) und von außen mit Zweikomponenten Lasur versehen. Drei 150 mm Scharniere aus Stahl halten das Ding, welches dermaßen knarrt wenn man es bewegt, so als ob ein durchgeknallter Igor mehrere Tage damit verbracht hätte, den türalen Sound mit Sand und Säure genau hin zu bekommen. Hinter solch einem Knarren vermutet man sofort Zugbrücke, Gefängnis oder meinetwegen auch anders geartetes Unheil mit Fledermäusen und Werwölfen.
Irgend ein Vormieter hatte sich eine Klingel einbauen lassen, die ich sofort abriss als ich einzog. Klopfen genügt. Meinetwegen kann auch jeder unanklopfen und sofort reinkommen, das erspart mir die Vertikalität. Wenn ich in der Nase bohren will, schließe ich ab. Und die große Panoramascheibe daneben erspart mir Überraschungen.
Der Knauf bereitete mir einige Zeit lang Sorgen. Er war alt, litt an Materialermüdung und brach sich eine Feder. Außerdem riss er sich ständig los. Dann hielt man ihn in der erstaunten Hand und musste einen Schraubenzieher suchen um dennoch raus zu gelangen. Nach so vielen Jahren als Kirchentür nicht verwunderlich und wie viele Schicksale mögen wohl durch diesen Rahmen hindurch gegangen sein? Aber vielleicht war es ja die Tür zur Aufbahrungszimmer und die Leute wurden getragen. Oder dahinter wurden Zöglinge … äh … erzogen. Und wie wäre es als Kellertür zum Weinlager? Zur Küche? Zur Inquisition?
Wer weiß?
Ich habe jedenfalls vorsorglich ein Amulett gegen den bösen Blick von außen über die Tür gehängt. Daran glaube ich nämlich genau so wenig wie an Werwölfe. Ist sich alles bloß Folklore. Hat den Leuten damals auch nur marginal gegen den Imperialismus geholfen.
Morgen oder demnächst: Der Fußboden.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Die Idee, nämlich mal einen Kommentar zu Karl-Ludwigs Haustür zu schreiben, der sich ohnehin nie bedankt, kam mir, als ich bereits drei Stunden am Laptop saß, und ich so langsam die Schnauze voll hatte.
Jetzt also auch noch die Hautsür kommentieren, dann wahrscheinlich den Fußboden, die Elefantenwände und was weiß ich, was der noch alles in der Bude hat.
Ich leide auch unter Materialermüdung, und ich stamme nicht aus kirchlichem Haus und hab auch keinen erlesenen Stammbaum wie das Burgtor von Karl-Ludwig. Dem aber sei es gegönnt samt aller technischen Daten im Dialog mit den Raffinessen.
Besonders bei Südwind rasten meine Zargen aus, aber den haben wir hier nie, nicht mal bei experimenteller Literatur mit Nostalgietouch und persönlichen Anmerkungen.
Es muss auch nicht immer lustig sein, Bildung kann ja auch nicht schaden, bei mir ist sie jedoch zwecklos, ich hab jetzt schon vergessen, worum es ging in unserer schnelllebigen Zeit.
Aber mal was anderes, und ich freue mich schon auf auf den Keller mit Zementboden und Artefakten aus ägyptischer Zeit.
Sirius
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Ey, Danke!
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Egal ob Haustür oder Zementboden, du hast es einfach drauf, Karl-Ludwig!
So, wie deine Geschichten, habe ich auch diesen Beitrag mit Vergnügen gelesen!
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Der Fußboden
Die Lager waren übervoll, die Innenleben ganzer Kirchen standen auf dem Hof und Spiel und drohten zu vergammeln. Kilometer von Banksitzen, Quadratmeilen Wandverkleidungen.
Ich radelte zum Säufertreffpunkt (Hansapark), kam mit fünf Hiwis zurück und sortierte:
Weg
mit dem Dreck!
Nannanü-nannanu ...
Arbeit gegen Bier eintauschen.
Ruckidizuckidiguh ...
Das gute Holz auf diesen Haufen,
Du und Du und Du-hu-hu ...
das schlechte dann ins Feuer.
schub schab schubbi-di-duh-hu:
Aufbewahren wär zu teuer.
Das ist ja der angenehme Nebeneffekt von stupider Maloche: Man hat viel Kapazität übrig, sich Gedanken zu machen, falls man dazu neigt. Warum bei meinen Helferleins dennoch viel Unmut aufkam? Ich schickte einen der Säufer los zum Bier holen. Und Würstchen, Kartoffelsalat, Fladenbrot nebst ganz viel Peperoni.
Ein weiterer Vorteil ist der Maschinenlärm, der jegliches Suffgestammel übertönt.
Eine Woche lang sägte ich das brauchbare Holz, die Hiwis schoben es durch den Dicktenhobel, das ist relativ harmlos, da muss man sich schon viel Mühe geben, um sich zu verletzen. Anders sieht es an der Altendorf aus. Selbst unser bis dahin bester Mann hatte sich einmal die Fingekuppen abgesägt, als er Leisten aus Biegeholz herstellen wollte. In der Zeit, die es brauchte bis der Notarzt erschien, verfügte der Sicherheitsbeauftragte, dass alle leeren Bierflaschen und Aschenbecher in einer großen Kiste gepackt und weit weg versteckt werden sollen. So ein Arbeitsunfall würde die Berufsgenossenschaft, Unfallforscher und Gewerbeaufsicht nach sich ziehen. Aha, er hatte also doch mal in den Vorschriften geblättert.
Biegeholz? Fragt da der Laie. Nun, das sind Balken, denen man in großen Pressen ordentlich einen auf die Schnauze gekloppt hatte, so dass die Fasern gestaucht wurden und auch rissen. Als Metapher für das menschliche Dasein durchaus geeignet: Jeder Krümmung anpassbar!
Zuletzt hatten wir fünf Gitterboxen voll mit Riemchen, 200 x 80 x 25 mm (Länge x Breite x Stärke).
Die Jungs zogen als Helden der Arbeit wieder auf die Parkbank.
Die Riemchen waren nach Holzart sortiert und man konnte damit wunderbare Fußböden gestalten, indem man sie auf eine Spanplattenunterkonstruktion klebte.
Allerdings! In dieser Wohnung hier muss ein völlig debiler Handwerker das Parkett verlegt haben. Wahllos Eiche, Pinie, Buche, Teak durcheinander, keine Säume/Einfassungen an den Wänden … und abgeschliffen hat der seinen Pfusch auch nicht, so dass nun überall kleine Stolperfallen rumliegen.
Ich hätte da noch genügend strapazierbaren Industrie-Teppichboden um diese Handwerkerbeleidigung abzudecken. Die Schleifmaschine will ich nämlich nicht nutzen, da ich mich mit dem Besitzer in die Wolle bekam. Wegen 10,00 Euro und aus Prinzip. (In Wirklichkeit ist dieser Beziehungsabbruch aus höchst komplizierten Elementen zusammengesetzt: Vertrauensbruch, Missverständniss, menschliche Unvollkommenheit, Stolz (Nicht zu Unrecht nach Dante eine der Todsünden), doch das gehört nicht in eine Geschichte über Parkett).
Aber inzwischen liebe ich fast dieses Holz gewordene Gleichnis menschlicher Unvollkommenheit. Der Boden passt ja auch irgendwie zu mir. Er hat sich Flecken und Verschleißspuren. Er ist ein wenig schief (Tja, für das Bedienen einer Wasserwaage braucht es schon ein-zwei Semester Kindergarten) und Mancher stolpert schon, kaum dass er bei mir zur Tür reingekommen ist.
Mein Fußboden lebe hoch!
Nein, besser nicht. Soll sich ein Beispiel an mir nehmen. Soll liegen bleiben.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Na, da hast Du ja den Fußboden quasi über Nacht verlegt, zumindest literarisch.
Neben der informativen Darstellung war es auch recht unterhaltsam, da hast du die richtige Mischung gefunden.
Sirius
Reset the World!
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