Morgen-Grauen
Stille ist es. Nur Geflüster
Rinnt wie nasses Licht durchs Düster -
Doch das Dunkel bleibt gleich tief.
Welt entschlief.
Keine Berge, keine Tannen,
Keine Wege, sie zerrannen.
Ausgelöscht ist alles Schrille
Und nur Schatten wirbeln, wandeln
Ohne Leben, ohne Handeln,
Unter Stille.
Stille ist es. An den Rippen
Pocht das Herz – fest auf den Lippen
Liegt der Finger; und kein Wort
Hier noch dort.
Wie Gespenster sich erheben,
Schatten durch die Luft hinschweben -
Sinken haltlos, die kein Wille,
Keine Kraft treibt; steigen wieder
Als besinnungslose Glieder
Durch die Stille.
Stille ist es. Und die bösen
Schatten, nimmer zu erlösen,
Leiber ohne festen Rand,
Wind im Sand -
Durch das Glimmen ohne Grenzen
Wirbeln sie in müden Tänzen,
Folgen jedes Luftzugs Grille.
Nur bei ganz genauem Spähen
Sind die Augen auch zu sehen,
Voller Stille.
Stille ist es. Immer schneller
Wird der Tanz und langsam heller.
Langsam wird des Himmelschoß
Wolkengroß.
Langsam durch den Tanz des Truges
Schimmert Welt. Des Schemenfluges
Dunst zergeht. Mit der Flotille
Weisser Wolker weht gezwungen
Er nach andern Dämmerungen
In der Stille.
Uriel Birnbaum
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