Die Furien des Verschwindens verschonen niemanden
Und keiner erzählt davon in derart schlafwandlerischer Präzision wie Thomas Stangl. Seine «Geschichte des Körpers» schildert den stillen Verfall.
Vielleicht ist Seelenwanderung wirklich eine Art Wanderung. Ein Spaziergang der Seelen zwischen den Zeiten, zwischen Zufall und Ziel. Wo einer wieder herauskommt, der schon einmal gelebt hat, weiss man nicht. Er kann als Tourist in einer italienischen Stadt seinem früheren Selbst noch einmal begegnen oder als Ersatz für einen toten Bruder dessen Leben führen. Weil die Eltern beschlossen haben, dass er seinen Namen tragen soll. Dreissig Prosastücke hat der Schriftsteller Thomas Stangl zu einer «Geschichte des Körpers» zusammengefasst.
Es sind brillante Erzählungen darüber, dass die Physis des Menschen nur die zufällige Verkörperung einer Existenz ist, über die wir viel weniger wissen, als wir meinen. Das klingt erst einmal schwer und metaphysisch, ist aber das genaue Gegenteil: selten wurde leichter über das an den Tod gebundene Dasein nachgedacht als hier. Frau Hönig und Frau Lapinski leben im Zimmer 105 eines Hospizes ihrem Tod entgegen. Es ist ein Zustand zwischen Wachen, Traum und Demenz, in den sich Bilder aus der Vergangenheit schieben. Sind das auf den Gängen nicht alte Bekannte? Und war Frau Lapinski nicht in Wahrheit die Geliebte des Mannes von Frau Hönig?
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https://www.nzz.ch/feuilleton/thomas-sta...nden-ld.1486445
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