Staatsschutz, Staatsschutz über alles
Der deutsche Wertekanon muss sich endlich von unseligen Traditionen lösen. Der Staat hat dem Menschen zu dienen - nicht umgekehrt.
Kolumne von Heribert Prantl
Es ist, aus mehreren Gründen, Zeit für ein Gedenken an einen ziemlich unbekannten Mann. Er würde am Sonntag hundert Jahre alt: Fritz Wehrmann, ein Matrose. Er wurde zwei Tage nach Kriegsende exekutiert. Sein Fall steht nicht nur für den verbrecherischen Geist der NS-Justiz; er steht auch für den Ungeist der Nachkriegsjustiz, die die Nazi-Richter schützte; der Name Wehrmann steht aber auch für eine grundsätzliche Verirrung des deutschen Rechts, die einem abstrakten "Staatsschutz" einen Höchstrang in der strafrechtlichen Wertepyramide einräumt. Wehrmann und das Angedenken an ihn sind dieser Verirrung zum Opfer gefallen.
Das deutsche Strafgesetzbuch stellt, immer noch, den Schutz des Staates und der öffentlichen Ordnung, nicht aber den Schutz der Menschenwürde, des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit an die Spitze der zu schützenden Güter. Das ist ein Vermächtnis einer staatszentrierten Tradition, die auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Diese Rangordnung hat, nicht nur in der Nazizeit, Verheerungen angerichtet in den Köpfen von Richtern und Staatsanwälten. "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen", heißt es im Grundgesetz-Entwurf von Herrenchiemsee. Die bundesdeutsche Justiz, auch die Bundesanwaltschaft, war - jedenfalls in den zwei Nachkriegsjahrzehnten - weit weg von diesem Satz. Sehr weit. Eine Kommission unter Leitung des Erlanger Juraprofessors Christoph Safferling und des Eichstätter Historikers Friedrich Kießling untersucht das derzeit im Auftrag des Generalbundesanwalts Peter Frank.
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