Die Pflicht der Reichen
Nicht die Vermögensteuer ist verfassungswidrig, sondern das Lamento dagegen. Ein Reichtum, der für seinen Rechtsschutz nichts zahlen will, ist amoralisch.
Kolumne von Heribert Prantl
Als Hans-Jochen Vogel 85 Jahre alt wurde, war es sein Geburtstagswunsch an die SPD, die soziale Gerechtigkeit wieder ernster zu nehmen: "Ich bin für die Wiedereinführung der Vermögensteuer", sagte er damals, "um die Schere zwischen Arm und Reich etwas zu schließen." Aber auch bei einem Ehrenvorsitzenden, der für die silbernen Zeiten der Sozialdemokratie steht (mit ihm als Kanzlerkandidaten kam die SPD auf immerhin 38,2 Prozent), gehen nicht alle Geburtstagswünsche in Erfüllung. Vogel musste noch acht weitere Geburtstage feiern, bis seine Partei in diesen Tagen endlich ein Konzept "zur Wiedereinführung der Vermögensteuer" beschloss.
Es ist dies nicht nur ein sehr verspätetes Geburtstagsgeschenk für den großen alten Mann der SPD, es ist dies auch ein etwas verspätetes Geburtstagsgeschenk für das Grundgesetz, das im Mai dieses Jahres 70 Jahre alt geworden ist. Die Vermögensteuer ist nämlich die plakative Konkretisierung eines Kernsatzes dieser Verfassung: "Eigentum verpflichtet." So lautet der Artikel 14 Absatz 2; und diese Pflicht wird sodann im Grundgesetz ausgeführt: "Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen."
Eigentum verpflichtet: Das ist das Fundament des deutschen Sozialstaats und die Kurzfassung der Einsicht, dass Demokratie nur mit einem Sozialstaat zu machen ist. Ein Sozialstaat ist mehr als das treuherzige Vertrauen auf die "Trickle-down-Theorie", die besagt, dass der Reichtum der Reichen automatisch irgendwie nach unten trickelt; da tröpfelt, rinnt und läuft nichts, wenn der Staat keine Kanäle baut.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/verm...licht-1.4581502
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