Es kommt anders, als man denkt – im neuen Roman von Christoph Braendle
Christoph Braendles Roman "Aus den Augen" schildert eine Dreiecksbeziehung, bei der Erwartungsmuster und Machtverhältnisse kippen
Im Leben kommt es stets anders, als man denkt, und nicht anders verhält es sich in Christoph Braendles neuem Roman. In Aus den Augen wendet sich das Blatt für die Protagonisten immer wieder auf verblüffende Weise. Deshalb darf diese Rezension die Geschichte nicht nacherzählen – so wie es bei einem Krimi der Spannung abträglich wäre, vorweg zu verraten, wer der Mörder ist.
In Braendles Roman ist es freilich nicht der Tod, sondern sein Gegenspieler Eros, dem die geschilderten Personen nachjagen, um sich schließlich als von ihm Gejagte wiederzufinden. Ein solches Kippen der Verhältnisse widerfährt nicht nur den Akteuren wieder und wieder, sondern auch deren Rollen, Identitäten, Beziehungen und Sichtweisen. Wie in Kurosawas Film Rashomon erzählt jeder Betrachter über die erlebten Ereignisse eine ganz andere Geschichte.
Am Beginn des Romans beauftragt ein alter reicher Mann einen jungen Maler, das Porträt seiner wesentlich jüngeren Gemahlin anzufertigen – ein Ganzkörperporträt, und zwar nackt. Er verspricht ihm ein hohes Honorar, stellt aber die Bedingung, ihm zuvor in aller Ausführlichkeit seine Lebensgeschichte, deren Kern die Liebesgeschichte zu seiner Frau ist, erzählen zu dürfen. Während der Maler anfänglich nur am Geld interessiert ist und ungern zuhört, gerät er nach und nach doch in den Bann dieser Geschichte, um so mehr, nachdem er die Frau kennen gelernt und zu malen begonnen hat. In der Folge geraten die drei Personen in ein Geflecht wechselseitiger Beziehungen und Abhängigkeiten, das mit jeder Wende undurchsichtiger wird.
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