Die Kurzgeschichten von Ana Schnabl sind so nah am Leben, dass es beinahe ein bisschen weh tut
Moral schweigt mal
Man fühlt sich ertappt, wenn man sich in die literarische Welt von Ana Schnabl begibt: ob beim Seitensprung nach einer Betriebsfeier oder die Aufregung beim ersten Treffen mit den Eltern des Geliebten. Die 1985 in Ljubljana geborene Autorin, die wohl zu den besten in Slowenien gehört, vermag es, Szenen zu entwerfen, die vertraut und zugleich abschreckend wirken. In ihrem nun auf Deutsch erschienenen Buch Grün wie ich dich liebe grün sind zehn Kurzgeschichten versammelt, die den Alltag und das dazugehörige menschliche Chaos einfangen. Im vergangenen Jahr erhielt sie für diesen Erstling den kroatischen Edo-Budiša-Preis für junge Literaten.
Hart ist in der Erzählung „Das Kind“ die Auseinandersetzung einer jungen Mutter mit sich selbst. Sie kann ihre frisch geborene Tochter nicht lieben – regelrecht angeekelt ist sie von dieser. In ihren Gedanken kämpft sie mit sich: Einerseits wird von ihr erwartet, sich zu freuen, eine gute Mutter zu sein, andererseits fantasiert sie: Sie wolle das Baby verletzen oder wünsche sich sogar, dass dieses krank werde. Ihr Leben als Mutter wird nicht mehr so sein, wie es davor war – das wird ihr im Moment nach der Geburt bewusst. Nun ist sie eine der „verfallenen, willenlosen und verzweifelten Mütter“. Ihre Trauer darum findet keinen Platz, weder bei ihr selbst – sie kann und will es sich nicht eingestehen –, noch kann sie den Verlust ihres vorherigen Lebens mit ihrem Freund Jan teilen. Ihre Trauer schlägt in Wut auf das Baby um – und steigert sich schließlich in dumpfe, befriedigende Gewalt, die sich gegen den Körper des Neugeborenen richtet. Leidet die Mutter an einer postnatalen Depression?
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