"Der rote Faden"
Ein Roman wie ein TV-Epos
Kate ist jung, ohne Argwohn und Angst. Als ein Bekannter sie vergewaltigt, durchzieht das Trauma fortan ihr Leben. Die Autorin Rosie Price hat einen furiosen Roman über sexuelle Gewalt geschrieben - nur die Figurenzeichnung schwächelt.
Es beginnt damit, dass ein fast nackter Mann vor der Tür steht. Um die Hüfte trägt er nur ein Handtuch. Es ist sechs Uhr morgens, noch dunkel. Kate Quaile kennt diesen Mann nicht. Doch sie lässt ihn hinein, denn seine Geschichte klingt plausibel: Beim Duschen im Gemeinschaftsbad des Studentenwohnheims hat er sich aus seinem Zimmer ausgeschlossen.
Die junge Kate ist ohne Argwohn und ohne Angst. Für diese freundliche, aber auch unerfahrene Art wird sie belohnt werden: Der junge Mann heißt Max, er hat wie sie gerade erst mit seinem Studium begonnen - die beiden werden enge Freunde. Durch ihn findet Kate Zugang zu einer Welt, die ihre Idee davon, wie sie leben möchte, verändern und prägen wird. Doch Max ist auch ein Unglücksbote. Durch ihn trifft Kate jenen Mann, der sie vergewaltigen wird.
Dass Fernsehserien die Romane unsere Zeit seien, war in den vergangenen Jahren ein beliebter Partytalk - epische Erzählungen, in denen sich die großen Themen der Gegenwart spiegeln. Wie alltäglich diese neue Erzählform geworden ist, ist auch daran abzulesen, dass es plötzlich Romane gibt, die an Serien erinnern. "Der rote Faden" von Rosie Price ist so einer.
Die Autorin hat ein großes Thema, sie will von der zerstörerischen Kraft einer Vergewaltigung erzählen. Ihre junge Heldin Kate Quaile starrt während der Tat auf eine rote Ziernaht am Hemdkragen des Täters, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Aber natürlich ist der Buchtitel "Der rote Faden" auch als Metapher gemeint, die sexuelle Gewalt, die Kate erlebt, durchzieht fortan ihr ganzes Leben und verändert alles, sie verschiebt die Beziehungen zu ihrer Familie, zu ihren Freunden, zu Max.
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https://www.spiegel.de/kultur/literatur/...67-cbb255c5bed1
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