GEDICHTE VON KATHRIN SCHMIDT
Akrobatik aus dem Greisenhaus
Obwohl Kathrin Schmidt (Jahrgang 1958) fünf Romane publiziert hat, darunter den sehr erfolgreichen autobiographisch grundierten Roman „Du stirbst nicht“ (2009), steht die Lyrik von Anfang an im Vordergrund ihres Werks. Unter den Fittichen der FDJ wurde ihr in der DDR als Lyrikerin eine Bilderbuchkarriere beschieden, deren Stationen sie konsequent durchlief mit der regelmäßigen Teilnahme an den Schweriner Poetenseminaren seit 1974 und mit Gedichtpublikationen in der Seminarzeitung „rote feder“, in der Anthologie „Offene Fenster“ für Schülergedichte und in der Zeitschrift „Temperamente – Blätter für junge Literatur“ – alle im FDJ-Verlag Neues Leben.
Das trug ihr öffentliche Anerkennung und erste Auszeichnungen ein mit dem Förderpreis der Poetenbewegung der Freien Deutschen Jugend (1978) und der Verleihung des Johannes-R.-Becher-Diploms (1981). Es folgten die erste selbständige Publikation ihrer Gedichte als Nr. 179 der legendären Heftreihe des „Poesiealbums“ und die Zulassung zum Sonderstudium am Johannes-R.-Becher-Literaturinstitut in Leipzig, wo sie „Vorlesungen zur sozialistischen Landwirtschaft, zur Mikrobiologie, zur sozialistischen Jugendforschung oder was weiß ich“, aber nichts zur Literatur zu hören bekam. Kurz darauf erschien ihr Gedichtband „Ein Engel fliegt durch die Tapetenfabrik“, wieder im Verlag Neues Leben.
Ihre sehr enge Anlehnung an die FDJ und deren Verlag hat ihr den Argwohn und das Misstrauen ihrer Kollegen aus der Front der Oppositionellen, Dissidenten und der alternativen Szene in der DDR eingetragen. Sie selbst sah sich rückblickend als naives „Provinzei“, das gar nicht bemerkt habe, wie sie von der Partei vereinnahmt worden sei. Sie sei zwar nicht durchgängig opportunistisch gewesen, „aber auch nicht das, was man heute als DDR-Feind bezeichnen würde“. Im Dezember 1989 wurde sie von der Vereinigten Linken an den Ost-Berliner Zentralen Runden Tisch entsandt, zog sich jedoch sehr bald, enttäuscht vom männerdominierten Gerangel, daraus zurück und gab ihren Beruf als Kinderpsychologin auf, um als Redakteurin der feministischen Zeitschrift „Ypsilon“ und – neben ihren Aufgaben als Mutter von fünf Kindern – an ihren Prosawerken und an Gedichten zu arbeiten.
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