In der Zauberkiste
Lange hat man nichts von Judith Hermann gehört, nun ist sie mit „Daheim“ für den Leipziger Buchpreis nominiert
Autobiografische Deutungen bleiben, wenn sie nicht in Bücher eingehen, immer unabgeschlossen: Man ist Teil einer Geschichte, deren Ende man nicht kennt. Das eigene Leben ist deshalb Gegenstand konstanter Deutungsarbeit. Die Erzählerin von Judith Hermanns neuem, für den Leipziger Buchpreis nominierten Roman ist mit solchen Selbstdeutungen verstärkt beschäftigt. Sie befindet sich an einem biografischen Wendepunkt: Nach dem Auszug der erwachsenen Tochter hat sie ihren Mann und die Stadtwohnung verlassen, um ein Haus am Rand eines Dorfs am Meer anzumieten, wo sie als Kellnerin in der Kneipe ihres Bruders arbeitet. Vorangestellt ist der Haupthandlung, die sich in diesem Dorf abspielt, allerdings eine Erinnerung an ein Ereignis 30 Jahre zuvor. Als junge Frau wurde die Erzählerin beim Einkaufen in einer Tankstelle von einem Zauberer angesprochen, der sie als Assistentin für den Trick mit der zersägten Jungfrau gewinnen wollte: „Es ist sehr einfach. Sie müssen sich in eine Kiste legen, ich zersäge Sie – zum Schein –, und dann setze ich Sie wieder zusammen.“ Nach einer Probe im Haus des Zauberers geht sie auf das ungewöhnliche Angebot ein, als seine Assistentin auf einem Kreuzfahrtschiff nach Singapur zu fahren. Doch am Tag der Abfahrt bleibt sie, ohne genau zu wissen, warum, zu Hause.
Für die Protagonistin ist dieses Ereignis rückblickend nicht nur deshalb eine Schlüsselszene, weil sie infolge des Verzichts auf die Reise ihren späteren Mann kennengelernt hat und Mutter geworden ist. Vor allem wird das Gefühl des scheinbaren Zersägtseins – „da“ zu sein und zugleich „ganz woanders“ –, das sie bei der Probe in der Kiste hatte, zur Chiffre ihres gegenwärtigen Zustands: Das alte Leben hat sie hinter sich gelassen, ohne sich davon lösen zu können. Am neuen Ort will sie unter keinen Umständen „Wurzeln schlagen“. Sie ist eine Gefangene ihrer eigenen inneren Spaltung.
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Lieber Sirius,
vielen Dank für diesen Tip. Judith Herrmann ist eine großartige Autorin, ich bin schon sehr gespannt auf das Buch!
Liebe Grüße
Ännchen
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Dieses Buch teilt sich derzeit mit mir das Bett und wartet abends dort auf mich.
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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