Überwachungsaffäre
Die Superwaffe und die Deutschen
Das Cyber-Unternehmen NSO versuchte, seine Spähsoftware auch in Deutschland zu verkaufen. Sogar einem Innenminister führten die Israelis vor, was sie alles können.
An einem Montagmorgen Ende Oktober 2017 empfängt das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden eine Delegation aus Israel. Die deutschen Kriminalisten suchen eine technische Lösung, um Verdächtige abhören zu können – und sie wollen Nachrichten lesen können, bevor sie von Apps wie Telegram, Signal oder WhatsApp verschlüsselt werden. Die effizienteste Lösung am Markt stammt von der israelischen NSO Group. Ein paar Wochen zuvor, im August 2017, ist in Deutschland ein neues Gesetz in Kraft getreten, das dem BKA die heimliche Infiltration von Handys erlaubt. Nun wollen die Kriminalisten sehen, was die Israelis technisch draufhaben.
Kurz nach der Mittagspause, so erinnern sich Beteiligte, hätten die Gäste losgelegt und auf mehreren Handy demonstriert, was ihre Software Pegasus kann: WhatsApp-Chats auslesen, das Mikrofon aktivieren, Fotos heimlich herunterladen zum Beispiel. Pegasus, davon sind die Ermittler schnell überzeugt, kann viel, sehr viel.
Aber wie viel ist zu viel?
Die Ermittler von Polizei und Verfassungsschutz sind zu diesem Zeitpunkt allerdings schon an eine höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden, die den Sicherheitsbehörden enge Fesseln anlegt. 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil zur so genannten Onlinedurchsuchung ein neues "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" eingeführt. Computer und Handys sind seitdem zwar nicht tabu – aber sie dürfen nur dann infiltriert werden, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr" etwa für Leib und Leben bestehen. Das, was Pegasus besonders gut kann, nämlich die Infiltration von Handys, ist seitdem in Deutschland nur in Ausnahmefällen erlaubt.
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