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Zadie Smith: „Swing Time“

#1 von Sirius , 18.05.2022 16:40

Zadie Smith: „Swing Time“

Zadie Smith schreibt mit „Swing Time“ den Bildungsroman der globalisierten Welt

London in den frühen Achtzigern, Ballettunterricht im Gemeindesaal: Zwei Mädchen schließen Freundschaft auf eine Weise, wie wohl nur Kinder das können. Spontan, impulsiv, kompromisslos. So bedingungslos nah werden sich die Erzählerin und Tracey nie wieder sein. Es ist die Geschichte einer wachsenden Entfremdung, die beinah schon im Augenblick der Begegnung einsetzt, als Unterschiede (verschiedene Nasen) und Gemeinsamkeiten (aber die Nase der anderen ist genauso „problematisch“) abgewogen werden. Zunächst ist das Gefühl des Zusammengehörens überwältigend. Beide leben in Sozialwohnungen; wo Tracey aufwächst, ist die Küche so eng, dass die Ofentür beim Öffnen knapp an der Wand vorbeischrammt. Kein Habitat für eine Tänzerin, dafür legt sich die Mutter ins Zeug, um die Nachteile der Herkunft auszubügeln. Und da ist die größte Gemeinsamkeit: Tracey und die Erzählerin sind die einzigen nichtweißen Mädchen in der Tanzschule, „als hätte man ein Stück hellbraunen Stoff durchgeschnitten, um uns beide daraus zu machen“.

Nicht zufällig fühlen die Mädchen sich wie geschneidert. Ihr Sinn für Mode hat Zadie Smith schon eine Fotostrecke in der Vogue eingebracht. Im Roman ist die Erzählerin der Ansicht, „Frauen glauben oft, Kleider können auf wundersame Weise alle Probleme lösen“. In ihrem Fall schaffen sie aber eher neue Probleme, sich zu kleiden ist nicht ihre Stärke. Ihre jamaikanische Mutter, die sich mit Espadrilles und Ringelshirts wie die französische Boheme kleidet, nutzt das Zeichensystem Mode dagegen perfekt, um ihre Identität mitzuteilen. So etwas muss man allerdings erst einmal haben: ein unverrückbares Selbstbild.

Zadie Smiths Vorgängerromane wie London NW oder Von der Schönheit waren sensationell komponierte Porträts von Freundeskreisen und Familienbanden. Auch wenn hier eine einzelne Figur die gesamte Geschichte erzählt, ist Swing Time die logische Fortführung dieses Schreibens – ein mehrfacher Bildungsroman. Als die Freundinnen sich zunehmend voneinander entfernen, „Traceys ganz spezielle Grausamkeit“ immer stärker zutage tritt und man längst nicht mehr weiß, ob sie die Erzählerin gerade liebt oder verachtet, bleibt sie stets präsent. Im Hintergrund läuft auch die Geschichte der Mutter mit, deren wichtigste Lebensstationen wir Lesenden genau wie die Erzählerin erst mitbekommen, als die Würfel gefallen sind: neuer Partner, neue Partnerin, die Kandidatur für ein hohes politisches Amt. Diese Figur könnte anderswo locker einen eigenen Roman füllen. Nicht bei Zadie Smith, die uns in ihrem Schreiben lehrt, nicht aus den Augen zu verlieren, was sich am Rand des Blickfelds abspielt.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/janav/fremdeln-tanzen


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Sirius
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