NATASHA BROWN: „Zusammenkunft“
Sie kam nicht aus Afrika
Natasha Browns Roman „Zusammenkunft“ stellt der britischen Klassengesellschaft eine harte Diagnose. Ihre Protagonistin beobachtet sich und ihr Leben wie aus der Drohnenperspektive. Das hat einen besonderen Reiz.
Unter dem Titel „Assembly“ erschien dieser schmale Roman im vorigen Jahr in London und wurde zum durchschlagenden Erfolg. Er ist das literarische Debüt von Natasha Brown, deren frühere Karriere im Londoner Finanzwesen ungefähr der ihrer Protagonistin entsprochen hat. Dabei kalkuliert Brown sehr genau, wie sie mit Klassismus und Rassismus, Kolonialismus, Diversität und Sexismus ins Mark der britischen Gesellschaft trifft. Die Besprechungen fielen positiv bis hymnisch aus.
Die Ich-Erzählerin ist namenlos. Sie ist eine junge und attraktive schwarze Frau in England, Angehörige der zweiten Generation von Einwanderern. Immer wieder wird sie mit der Vermutung konfrontiert, sie käme „aus Afrika“. Nur am Rand wird klar, dass die Herkunft ihrer Vorfahren Jamaika ist, die ehemalige britische Kolonie. Jamaikas Geschichte war, noch davor, von der Verschleppung afrikanischer Sklaven gezeichnet. Aber in ihren Ursprüngen kann und will sie keinen Teil ihrer Identität ausmachen. Sie hat an einer Eliteuniversität Mathematik studiert und avancierte hoch in der Bankenwelt. Darüber berichtet sie vor Schulklassen, zur Motivation Jugendlicher. Doch auch ihr sozialer Aufstieg, ihre brillante Performance und damit verbunden finanzielle Unabhängigkeit geben ihr keinen Halt. Es ist nur einer der Schläge ins Gesicht, die sie, mehr oder weniger offen, auszuhalten hat; sie müsse doch zugeben, dass ihr nicht nur ihr Geschlecht, sondern ihre schwarze Hautfarbe dabei hilfreich sei.
Sie ist liiert mit einem jungen wohlhabenden Politikberater, er zählt zur englischen Oberschicht, es wäre eine perfekte Allianz. Unbeschwert kann indessen auch ihr Freund nicht sein; einmal heißt es, dass er morgens seine Citalopram schluckt, ein Mittel gegen Depressionen und Angststörungen. Auf ihm lastet die Tradition, der angeborene Anspruch seiner Familie in paternalistischer Tradition, denn vom souverän auftretenden Vater stammen die Titel und das Erbe. Die Mutter ihres Freunds hatte „eingeheiratet“: „Die Zwiespältigkeit der Mutter war traditioneller. Einmal hat sie mich mit dem peinlichen Spruch ,die aktuelle Herzdame unseres Jüngsten‘ vorgestellt und dabei die Bekannte, die gefragt hatte, wissend angelächelt.“ Sie kommt zu dem Schluss: „Unter der Feindseligkeit der Mutter lag eine Unsicherheit, mit der ich mich fast identifizierte.“ Das geschah, bevor sie jetzt zu einer Party auf dem Landsitz der Eltern geladen ist, die ihren Hochzeitstag feiern.
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https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b...t-18035363.html
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