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Rachel Cusk: "Coventry"

#1 von Sirius , 02.06.2022 17:09

Rachel Cusk: "Coventry"

Rachel Cusks Kunst der Alltagsbeobachtung: Von Ehepaaren und Robben
Die britische Autorin geht im großartigen Essayband "Coventry" mit nüchterner Klarheit und Witz Phänomenen zwischen Straßenverkehr und Ehe nach

Die Geschichte muss der Wahrheit gehorchen und sie sichtbar machen wie Kleidung einen Körper", schreibt Rachel Cusk. Das war schon in ihrer autofiktionalen Outline-Trilogie, mit der sie in den vergangenen Jahren auch im deutschsprachigen Raum bekannt geworden ist, der Fall. Der britischen Autorin gelingt solche Kenntlichmachung aber ebenso mit ihren Essays. Kleine Alltagsbeobachtungskunstwerke legt sie im Band Coventry (im englischen Original 2019) vor. Schmal ist er nicht, weil Cusk wenig zu sagen hätte, sondern weil sie dafür nicht viele Worte braucht. Ob es um Rollenbilder in der Ehe geht oder den Blick auf die Töchter: Diese Texte zeichnet Klarheit bis hin zu klirrender Kälte aus.
Boshaft sind sie dennoch nie, sondern stets interessiert: Wenn Cusk über den Autoverkehr in "unserer ländlichen Gegend" – sie wohnt irgendwo an der englischen Küste – nachdenkt, fühlt sie erst der Hemmungslosigkeit von Menschen im Urlaub auf den Zahn, vergleicht dann theatralische Blinker und Huper mit Schauspielern und biegt schließlich zu einem einige Jahre zurückliegenden Unfall ab. Damals habe eine 94-Jährige ein Mädchen totgefahren. Würde sich die Frau wünschen, vor dem Zwischenfall gestorben zu sein, überlegt Cusk nun – hat sie doch damit ihrem bis dahin womöglich glücklichen Leben spät eine tragische Wendung gegeben. Wobei gewiss auch die Behörden Schuld an dem Unfall hätten, indem sie jemandem in dem Alter noch hinters Steuer lassen. Andererseits sei man in jener Gegend für alltägliche Verrichtungen aufs Auto angewiesen. "Wer hier kein Auto hat, wird zum Opfer der Umstände."

Cusk dreht und wendet das Problemfeld. Auf die Luftverpestung durch den Verkehr anspielende Sätze wie "Vielleicht ist der zunehmende Luxus im Inneren des Autos der Trostpreis für den Verfall der Welt draußen" sind analytisch nüchtern und zugleich von einer famos flapsigen Melodramatik. Es ist ein Spaß, die immer originellen Beobachtungen wie Gegenverkehr auf sich zukommen zu sehen. Mit Gegnern hat Cusk, die nach dem Buch Danach über Ehe und Trennung als meistgehasste Frau Großbritanniens tituliert wurde, übrigens kein Problem.

Weiterlesen:

https://www.derstandard.at/story/2000136...aren-und-robben


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Sirius
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