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Lindners Steuerpläne entlasten nur Spitzenverdiener

#1 von Sirius , 10.08.2022 16:09

Lindners Steuerpläne entlasten nur Spitzenverdiener

Finanzminister Christian Lindner versucht, den geplanten Ausgleich der kalten Progression als soziale Wohltat zu verkaufen. Das ist mehr als nur durchsichtig: Profitieren werden fast ausschließlich die Reichen.

Christian Lindner beschwert sich angesichts von Forderungen nach einer Verlängerung des 9-Euro-Tickets über eine »Gratismentalität« und bemängelt den »bisweilen klassenkämpferischen Ton« in der Debatte um mögliche Steuersenkungen. Doch die Pläne des Finanzministers zur Abschaffung der kalten Progression zeigen, dass er selbst einer der tapfersten Klassenkämpfer des Landes ist – im Dienst der Oberschicht, versteht sich.
Von kalter Progression spricht man, wenn die Löhne und Preise steigen und dadurch aufgrund der Steuerprogression höhere Steuern fällig werden. Damit geht ein realer Verlust von Kaufkraft einher. Wären weder Löhne noch Preise gestiegen, würden effektiv niedrigere Steuersätze gelten. Das Phänomen gehörte in den letzten Jahrzehnten zu den Lieblingsthemen von Wirtschaftsliberalen, da sie vor allem die Spitzenverdiener vor der schleichenden Mehrbelastung schützen wollten. Es steht gerade jetzt wieder ganz oben auf der Agenda, weil Preise und Löhne zum ersten mal seit Jahren wieder stark angezogen haben.

Jeden zweiten Herbst erscheint der sogenannte Progressionsbericht des Bundesfinanzministeriums, der die Höhe der kalten Progression abschätzt. An ihm orientieren sich dann meist konkrete Reformen. Da sich der starke Anstieg der Inflation zum Zeitpunkt des letzten Berichts von 2020 noch nicht abzeichnete, trat 2022 eine kalte Progression in geringem Umfang ein. Doch umso stärker Preise und Löhne steigen, desto brisanter wird das Thema.
In den letzten Jahren wurde die kalte Progression überkompensiert. Das bedeutet, dass die Menschen in den letzten Jahren nicht automatisch mehr belastet sondern real minimal entlastet wurden. Die jeweiligen Grenzen der Einkommensteuersätze und der Grundfreibetrag wurden dabei erhöht. Nun kann man diese Änderungen unterschiedlich ausgestalten. Entweder verschiebt man den Grundfreibetrag stärker oder eben die Grenzwerte, ab denen höhere Steuersätze für Reiche gelten.

Entlasten ja – aber wen?

Genau um diese Frage dreht sich die aktuelle Debatte. Die erste Etappe bestand darin, dass Lindner einen vermeintlichen Vorschlag von Robert Habeck vom Finanzministerium durchrechnen ließ. Das Fazit lautete, dass man den Spitzensteuersatz auf 57 Prozent erhöhen müsste, um die kalte Progression aufkommensneutral abzuschaffen. Doch diese Rechnung aus Lindners Haus ist vergiftet. Er unterstellte Habeck, dass dieser den Spitzensteuersatz und nicht den Reichensteuersatz erhöhen wolle. Der Unterschied ist eklatant: Der Spitzensteuersatz gilt ab rund 58.000 Euro, der Reichensteuersatz erst ab rund 278.000 Euro. Der errechnete Spitzensteuersatz sollte offenbar für Angst und Schrecken in der Bevölkerung sorgen. Dabei wird dieser nur von wenigen Leuten auf einen sehr kleinen Anteil ihres Einkommens gezahlt. Der Entwurf hätte selbst für Menschen mit 80.000 Euro Einkommen zu einer Steuerentlastung geführt, für Menschen mit einem Jahreseinkommen von 100.000 oder 150.000 Euro hingegen nicht. Auch zielte die Berechnung auf eine aufkommensneutrale Ausgestaltung der neuen Steuersätze ab: Kein Geld müsste woanders gestrichen, keine Schulden gemacht oder keine andere Steuer erhöht werden. Lindners Gegenvorschlag bedient sich hingegen bei ungenutzten Mitteln aus dem Bundeshaushalt – und wäre damit nicht aufkommensneutral.

Weiterlesen:

https://jacobin.de/artikel/lindners-steu...form-inflation/


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Sirius
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