Marion Brasch: Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot
Marion Braschs neuer Roman ist herrlich absurd. Godot reist endlich an, es gibt Dunkelmunke und die Weltformel im Gurkenglas
Vor einigen Jahren hat die Radiomoderatorin und Autorin Marion Brasch ein viel beachtetes Buch über ihre Familie Ab jetzt ist Ruhe geschrieben. Wir lasen über ihren Vater Horst Brasch, der vom Katholiken zum Kommunisten geworden, in der DDR SED-Funktionär und eine Weile auch stellvertretender Kulturminister war, über ihr Verhältnis zu den Schriftsteller-Brüdern Thomas und Peter Brasch und dem Schauspielerbruder, die an der DDR und der eigenen Zerrissenheit zerbrachen, und das in einem eigenen, ganz tragisch-komischen Ton.
Jetzt entschloss Marion Brasch sich, Godot, den gar nicht auftretenden Helden aus Samuel Becketts absurdem Theaterstück – einem Klassiker der Moderne, wie man so schön sagt – zu wirklicher Existenz zu verhelfen. Gebildete Menschen wissen ja: Eigentlich gibt es ihn gar nicht, jedenfalls nicht auf der Bühne. Wladimir und Estragon warten auf ihn, aber er kommt nicht. Das hat schon viele Autoren inspiriert, nun auch Marion Brasch. So entstanden Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot. Kein Roman, eher ein Roman-Spiel.
Wenn sich mit „Worten trefflich streiten“ und sogar „ein System bereiten“ lässt, wie der Mephisto im Faust sagt, so lässt sich mit ihnen auch trefflich spielen, wie bei Brasch zu beobachten ist, wenn sie „des trocknen Tones nun satt“ ist. Deshalb ist Godot irgendwann nun einmal da. Die Figur wird auf die Szene gesetzt wie die Modellbahn auf die Schienen. Und los geht’s mit den Abenteuern und Abschweifungen. Es gibt keine richtige Handlung, dafür viele Umwege. Spannung ist dennoch drin. Man fragt sich weniger, was als Nächstes passieren mag, ist vielmehr gespannt, was der Autorin jetzt wieder einfallen mag.
Wahr ist an einer Geschichte immer nur das, was der Zuhörer glaubt“, zitiert Brasch einen großen Schriftsteller, über den sie sich gleich ein bisschen lustig macht. Über Hermann Hesse nämlich, der sich in ihrer Fantasie gerade mit Gertrud abplagt. Wer es nicht weiß, muss nachschlagen: Gertrud ist die Titelfigur einer Erzählung Hesses, und sie ist eigentlich nur eine Projektion ihres Autors, die kein Eigenleben hat. Das könnte ein Grund sein, warum sie und der „hinkende Kuhn“ bei Brasch ironisiert werden, warum Hesse unbedingt eine Schreibmaschine braucht, damit er darauf herumhacken kann – wegen Gertrud.
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