Abbas Khider : Ohrfeige
Abbas Khiders Roman „Ohrfeige“ gefällt nicht jedem. Dabei unterhält er, ohne zwanghaft zu werden, und belehrt, ohne zu moralisieren
Es ist der vierte Roman des Deutsch-Irakers Abbas Khider, die ersten Kritikerstimmen sind dieses Mal geteilt. „Zu schnell geschrieben, lieblos lektoriert“ befand die Zeit und meinte, dass der Autor dafür sehr gut ausschaue. Wenn die anderen Romane noch besser sind als Ohrfeige, denkt man, werden die hiernach gelesen.
Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren, als 19-Jähriger verteilte er Flugblätter gegen Saddam Hussein. Er wurde verhaftet und gefoltert, verbrachte zwei Jahre im Gefängnis. 1996 floh er, lebte in Jordanien und Libyen, seit 2000 nun in Deutschland.
Über Autoren der neuen „migrantischen Literatur“, die man als Genre gar nicht so nennen will, wird man jetzt wohl oft solche Biografien lesen. Verfolgung und Flucht sind naturgemäß die Themen bei Khider. Er spielt mit der eigenen Erfahrung, heiter, ironisch und grotesk ist sein Stil, mitnichten so, wie Maxim Biller noch 2014 über „Migrantenliteratur“ im Allgemeinen schrieb: „Ihre geballte Lebenserfahrung verleugnen sie und entscheiden sich für einen kalten, leeren Suhrkamp-Ton“. War einmal und stimmte ja da schon nicht. Ist migrantische Literatur die „neue Weltliteratur“? Der Titel einer Diskussion mit migrantischen Erzählern in Berlin lautet jedenfalls so.
Während die Kritikerin noch nachdachte, wie sie über Ohrfeige schreiben soll, traf sie einen Kritikerkollegen. Man sprach über Ferienplanung und wie verdammt teuer doch so ein Familienurlaub ist. „Ihr fliegt nach Kreta?“ Vorsichtig will man wissen, ob man dort nicht konfrontiert sei mit dem Flüchtlingsdrama wie auf Lesbos etwa, wo Facebook-Freunde an Rettungswesten vorbeilaufen (die mit Styropor gefüllt sind) und Bilder davon auf Facebook posten.
Der Kritiker hat gerade über Riad Satouffs Graphic Novel Der Araber von morgen – Eine Kindheit im Nahen Osten (1978-1984) geschrieben („Sehr zu empfehlen!“). „Das Flüchtlingsthema“, sagt er verlegen, „verfolgt uns ja überall.“ Natürlich schätze er Abbas Khider, sein gefeiertes Debüt Der falsche Inder (2008) oder Die Orangen des Präsidenten (2011). Das aktuelle Buch will er nun nicht lesen – wegen der Kritiken.
Ohrfeige ist bestimmt plakativ und schnoddrig, aber vielleicht muss ein Roman so klingen, wenn sich einer etwas von der Seele schreibt, so unmittelbar und unkomponiert. Vielleicht ist uns auch das Pathos peinlich. Wir Nord-Bio-Europäer reden nicht so, weil kaum einer von uns je in eine existenzielle Not geraten ist, in der man vielleicht so redet. Das alles passiert ja jetzt. Wäre also nicht ein durchkomponierter Roman die eigentliche Sünde?
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