Charlotte Roche: Mädchen für alles
Charlotte Roches neue Romanheldin Chrissi hält ihr Geplapper mühelos durch
Ich presse die Augen zu und halte mein Gesicht in den harten Strahl. Das piekst richtig, wie Nadelstiche, aber ich ziehe nicht weg, ich will keine Pussy sein. Vielleicht ist das ja auch gut für meine Haut“, hofft Chrissi, die Protagonistin in Charlotte Roches drittem Roman Mädchen für alles, während sie nach dem Sport unter der Dusche steht und einen ihrer banalen Gedanken denkt, die sich in 19 Episoden aneinanderreihen. Das nervt, aber wahr ist auch, dass jeder von uns, ob Bestsellerautorin, Teenager, Manager oder gelangweilte Hausfrau, wie Chrissi eine ist, banales Zeug von der linken zur rechten Gehirnhälte schiebt, während er den Schweiß vom Körper wäscht, die Zähne putzt oder in einem Meeting Kästchen auf den Notizblock malt. Die meiste Zeit unseres Lebens sind wir doch recht einfach gestrickt und haben diese schrägen Ideen und Beobachtungen, von denen wir glauben, die seien nun wirklich vor uns noch keinem eingefallen, und wir schämen uns ein wenig, vor dem Badezimmerspiegel zu stehen, die Falten zu zählen und uns daran zu erinnern, welchen Supertrick gegen die Alterung wir noch diesen Morgen im Internet gelesen haben.
Charlotte Roche ist keine Sprachgewalt, aber was ihr in Mädchen für alles wirklich gelingt, ist: eine Figur zu kreieren, deren Geplapper das nervtötende Niveau durchgehend hält. Chrissi ist unsympathisch, egoistisch und denkfaul, ja – aber sie erwischt uns beim Gedanken, dass auch wir oft nicht über diese naiven Ideen hinauskommen, während wir uns vielleicht wie Chrissi mal wieder eine Nacht lang mit heißem Kakao gerüstet eine US-Serie reinziehen.
Chrissi liegt selbstverständlich nicht mit Heißgetränk vor dem Fernseher, sondern ist dieses Mal die prollige Version von Charlotte Roches Frauenfiguren. Chrissi trinkt am liebsten Bier, bevor sie betrunken auf dem Sofa einschläft und es nicht mehr die Treppen hinaufschafft zu ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter. Auf den wenigsten Seiten des Buchs ist Chrissi nüchtern, sie nimmt auch ordentliche Mengen Kokain – Alkohol allein verhilft ihr nicht zu dem Selbstbewusstsein, das sie braucht, um ihren „Plan“ zu verfolgen, der auf dem Buchrücken des Werks angekündigt wird. Dieser Plan ist eher eine fixe Idee, und er lässt sich erstaunlich leicht in die Tat umsetzen, sodass die junge Mutter auch niemals zur Heldin mutieren kann, die etwas Unerwartetes schafft.
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