Der Fall Sanifair
Weil eine Privatisierung in die Hose ging, wird jetzt das Pinkeln teurer
Die deutschen Autobahnraststätten sind fast alle fest in einer Hand. Und wie immer, wenn ein Monopolist am Werk ist, wird es für die Kunden teuer. Die spüren das jetzt beim Gang auf die Toilette.
Wer auf Autobahnen unterwegs ist und mal muss, biegt rechts ab, steuert eine Raststätte an und landet in aller Regel bei einer Toilette des Betreibers Sanifair. Der jedoch erhebt ab Mitte November fürs Toilettenbenutzen mal eben rund 40 Prozent mehr Geld. Der Preis steigt von 70 Cent auf einen Euro. Die einen fluchen darüber und sprechen auf Twitter von „reinster Abzocke“, die anderen nehmen es lustig und fragen sich auch auf Twitter, wann sich denn jetzt der Klappspaten zum Ausheben der eigenen Toilette amortisiere. Es gibt aber noch eine dritte Sichtweise, eine wirtschaftspolitische Perspektive. Und die heißt: Hinter dem Preisschub fürs Pinkeln steckt eine völlig in die Hose gegangene Privatisierung von einstigem Bundeseigentum.
Die Geschichte geht in Kurzfassung so: Die staatliche Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen und die Ostdeutsche Autobahntankstellengesellschaft fusionierten 1994 zur Tank & Rast GmbH. Kurz darauf kam die Privatisierung, heute gehört das Unternehmen Tochtergesellschaften der beiden Dax -Konzerne Allianz und Munich Re sowie einem kanadischen und einem chinesischen Investor. Vor Corona machte Tank und Rast einen Umsatz von 650 Millionen Euro im Jahr. Er brach in der Pandemie ein, weil Toiletten und Restaurants geschlossen waren. Inzwischen hat er sich wieder erholt. Zahlen zum Gewinn gibt es nicht.
Der dürfte aber zur Freude der Investoren sprudeln wie eine Wasserspülung, da Tank & Rast praktisch ein Monopol hat. 90 Prozent der Autobahnraststätten gehören dem Unternehmen, von denen es viele weiter verpachtet, einige aber selbst betreibt. Rund 500 Millionen Benutzer zählen die Tank & Rast-Parkplätze pro Jahr. Die Pächter und der Raststätten-Konzern nehmen für alles mehr Geld als fast jeder andere: Der Kraftstoff kostet bis zu 20 Prozent mehr als anderswo, die Currywurst schon mal das doppelte von dem, was der Mann an der Bude in der Stadt verlangt, und Schnitzel Pommes aus der Warmhaltetheke für 14,95 Euro sind auch kein Schnäppchen.
Die hohen Preise sind inzwischen selbst dem ADAC ein Dorn im Auge. Die Zeiten, als sich Tank & Rast und der ADAC gegenseitig die Kunden mit Bonusprogrammen zuschoben, sind offenbar vergessen. Der Automobilclub hat in einer großen Vergleichsstudie im vergangenen Jahr festgestellt, was Autofahrer längst wussten: Die Autobahnraststätten sind im Vergleich zu den Autohöfen etwas abseits der Autobahn viel zu teuer. Der ADAC rät seither zum Abbiegen, was Tank & Rast empört: Der Vergleich weise „signifikante methodische Schwächen“ auf, heißt es von dem Fast-Monopolisten.
Anstatt für bezahlbare Preise in einem ansprechenden Ambiente zu sorgen, gründete Tank & Rast, das sich selbst mit seinen rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Mittelständler bezeichnet, 2003 mit Sanifair eine Marke, deren Geschäftsmodell darin besteht, Geld fürs Wasserlassen und den Stuhlgang zu nehmen. Dabei hatte eigentlich im Privatisierungsvertrag mit dem Bund gestanden: „Die Tank & Rast wird sich bemühen, die unentgeltliche Benutzung von sanitären Einrichtungen ganzjährig durchgehend sicherzustellen.“ Ganz offenbar sind diese Bemühungen Im Sande verlaufen. Und Sanifair hat eben jetzt auch noch seine Preise um schlappe 40 Prozent erhöht.
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https://www.focus.de/finanzen/news/eine-..._167835782.html
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