CDU-Vize geht IfW-»Studie« auf den Leim: Carsten Linnemann im Fake-Netzwerk
Am 3. November veröffentlichte das Institut für Weltwirtschaft (IfW) ein Papier zu »Bürgergeld und Lohnabstandsgebot«. Das Handelsblatt übersetzte es in die Headline: »Wenn sich Arbeit nicht mehr lohnt« . Und am späten Abend des 3.11. hatte CDU-Vize Linnemann bei »Maybrit Illner« seinen »großen« Auftritt im ZDF.
Carsten Linnemann gab dort zum Besten:
Wir haben heute Morgen im Handelsblatt vom Institut der Weltwirtschaft in Kiel – ganz seriös – die einfach mal acht verschiedene Konstellationen ausgerechnet haben. Die kommen zu dem Schluss, dass in sechs verschiedenen Konstellationen es besser ist, man nimmt das Bürgergeld, als wenn man arbeitet. Und da reden wir nicht um zwei, drei Euro. Da gibt es eine Familie, einmal mit drei Kindern, einer arbeitet Vollzeit, Geringverdiener, der hat, wenn er arbeiten geht, 880 Euro weniger, als wenn er das Bürgergeld bekommt. Selbst wenn man gar keine Kinder hat, ein Paar, einer arbeitet im Niedriglohnbereich, aber Vollzeit, die haben immer noch 230 Euro weniger, als derjenige, der in Deutschland arbeitet.
Ist Arbeit in Deutschland eigentlich gar nichts mehr wert? Frau Illner, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, eigentlich müsste man ein Denkmal bauen, für die Menschen, die in Deutschland arbeiten gehen. Wie wollen Sie das jemandem rechtfertigen, einem Geringverdiener, der in Deutschland jeden Morgen um sechs Uhr aufsteht, auf den Wecker klopft und arbeiten geht? Wollen Sie dem das rechtfertigen, das der 800 Euro weniger hat? Natürlich könnten Sie jetzt sagen, der kann ja zum Amt gehen und aufstocken, aber was ist das denn für ein Gesellschaftsbild? 40 Stunden arbeiten und dann gehe ich noch aufstocken, um das gleiche zu bekommen wie jemand, der nicht arbeitet? Da bin ich raus. Das ist nicht meine Politik und hat mit sozialer Marktwirtschaft gar nichts, aber auch rein gar nichts mehr zu tun.
Die Rechnungen des IfW, denen ▸Carsten Linnemann vor einem Millionenpublikum »ganze Seriosität« attestiert, um sie dann für seine parteitaktischen Zwecke zu nutzen, haben mit Sachkenntnis und erst Recht mit Wissenschaft – um es mit Linnemanns Worten zu sagen – »gar nichts, aber auch rein gar nichts mehr zu tun«.
Das Muster ist immer das gleiche: Es gibt eine öffentliche Debatte, das akademische Personal mit einem Institutsnamen im Rücken, enthusiastischem Eifer im Herzen und wenig bis gar keiner Fachkenntnis in der Sache schneidert »wissenschaftliche Belege« – und Politik braucht sich argumentativ nur noch zu bedienen. – Werfen wir also einmal einen Blick auf das Rechenwerk, das Linnemann so gut zupass kommt.
Fallkonstellation: Die Autoren des IfW betrachten verschiedene Haushaltskonstellationen mit jeweils nur einem zum allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn (12 Euro/Stunde) Erwerbstätigen. Wohnort ist Hamburg und es besteht Kirchensteuerpflicht. Der Bruttolohn wird durchgehend mit 1.920 Euro angesetzt, was einer 37-Stunden-Woche entspricht. Bei Haushalten mit Kindern wird das Alter der Kinder so gewählt, dass bei der Bedarfsermittlung einmal ausschließlich die für Minderjährige niedrigste Regelbedarfsstufe 6 (alle Kinder unter sechs Jahre) und einmal die höchste Regelbedarfsstufe 4 (alle Kinder mindestens 14 Jahre) zum Zuge kommt. Anschließend werden die verfügbaren Einkommen der Haushalte miteinander verglichen – also der nicht erwerbstätige Haushalt im Bürgergeldbezug mit dem Erwerbstätigenhaushalt. Die Differenz wird von den Autoren als »Lohnabstand« bezeichnet.
Bedarfsberechnung und Bedarfskomponenten: An Bedarfskomponenten des Bürgergeld-Haushalts werden berücksichtigt
der Regelbedarf (Summe der Regelsätze) sowie
die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU), die sich aus Bruttokaltmiete und Heizkosten zusammensetzen.
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