Ian McEwan: Lektionen
Ian McEwan ist einer der bekanntesten und wichtigsten englischen Schriftsteller der Gegenwart. Wie in vielen seiner Bücher geht es auch im großartigen Roman "Lektionen" um komplexe moralische Fragen.
Oberflächlich betrachtet erzählt Ian McEwan in "Lektionen" eine fast unspektakuläre Lebensgeschichte: Roland Baines ist ein alleinerziehender Vater, der sich als Barpianist, Tennisspieler und Gelegenheitsautor durchschlägt. Es ist das Jahr 1986: Roland ist gerade von seiner Frau Alissa verlassen worden. Während die Nachrichten den Reaktorunfall in Tschernobyl melden, sitzt Roland mit dem sieben Monate alten Lawrence in London, bekommt Angst und fängt an, sein Leben zu hinterfragen:
Von der Türschwelle aus wirkte für Roland alles wie zufällig, fast, als wäre er von einem vergessenen Ort in diese Umstände hineinversetzt worden, in ein von jemand anderem hinterlassenes Leben; nichts davon hatte er selbst gewählt. Das Haus, das er nie kaufen wollte und sich nicht leisten konnte. Das Kind in seinen Armen, von dem er nie angenommen hatte, dass er es einmal lieben und brauchen würde.
Bald erfährt man, was Roland noch alles nie selbst gewählt und was ihn doch für sein ganzes Leben geprägt hat. So haben ihn seine Eltern - der Vater war in Libyen stationiert - Ende der 50er-Jahre auf ein englisches Internat geschickt. Eine Begegnung mit seiner Klavierlehrerin Miriam Cornell entwickelt sich zu einer Missbrauchs-, aber auch zu einer Liebesgeschichte, die ihn sehr viel stärker beeinflusst, als er sich später eingestehen will.
Wie in den meisten von McEwans Romanen geht es auch in "Lektionen" um komplexe moralische Fragen. Wie sie unter anderem die Missbrauchsgeschichte und der Weggang von Rolands Frau Alissa, die ihn und das Baby verlässt um Schriftstellerin zu werden, aufwerfen.
Als Alissa tatsächlich zu einer der bedeutendsten Autorinnen ihrer Zeit wird, fragt sich Roland aufrichtig, ob der Verlust und der Schmerz es wert waren, wenn dafür ein solches Werk entstehen konnte. Als Leser fragt man sich, ob nicht das letztlich unbedeutende Leben von Roland - der anders als Alissa von einer großen Familie mit Stiefkindern und Enkeln umgeben ist - das geglücktere?
Weiterlesen:
https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Lek...,mcewan114.html
Reset the World!
Beiträge: | 27.028 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |