Fiktion
Im Englischen heißt es „fiction“ - und warum sollte man über die Fiktion nicht auch etwas Fiktives schreiben dürfen, so wie eine KI es tat?
Auf einer rechten Seite der „Chicago Sun-Times“ erschien kürzlich eine Anzeige in eigener Sache, die Leser (und sicher auch Leserinnen) bat, ihr altes Auto zu spenden, um damit „die Nachrichten zu unterstützen, auf die Sie bauen“. Tausche Altauto gegen sorgfältig recherchierten Texte? Warum nicht.
Auf der Seite gegenüber erschien in der zweitgrößten Chicagoer Tageszeitung dann so ein topseriöser Content, nämlich die „Sommer-Leseliste für 2025“. Bücher wurden vorgestellt, für jedes Buch gab es eine kurze Beschreibung plus Gründe, warum Leserinnen (und sicher auch ein paar Leser) an der Lektüre Freude haben würden.
Auf der Liste stand zum Beispiel Ian McEwan mit „Atonement“ (dt. „Abbitte“), eine Empfehlung, die wir nur unterstützen können. Ein wenig schwer tun wir uns dagegen mit Isabel Allendes „Tidewater Dreams“, obwohl sie auch hierzulande eine „beliebte chilenisch-amerikanische Autorin“ ist: denn ein Buch dieses Titels von Isabel Allende existiert nicht. Maggie O’Farrell hat keinen Roman geschrieben, der „Migrations“ heißt, Percival Everett keinen, der den Titel „The Rainmakers“ trägt. Die 1978 in Chicago geborene Rebekka Makkai dürfte sich erschrocken haben, denn hat sie ihren Roman „Boiling Point“ völlig vergessen?
So was nennt man einen echten Geheimtipp. Doch Leserinnen (und ein paar Leser) zeigten sich kleinlich – und wollten wahrscheinlich auch kein Auto mehr spenden, Schrott hin oder her. Was das solle, hieß es alsbald nach Erscheinen der Liste, die weit überwiegende Zahl der Bücher existiere nicht, könne also auch nicht ins Urlaubsgepäck gepackt werden.
Was war passiert? Die „Chicago Sun-Times“ (sowie der „Philadelphia Inquirer“) hatte sich den Listen-Content zuliefern lassen, der Zulieferer wiederum, „King Features“, zu Hearst gehörend, hat für die Büchertipps eine KI engagiert. Verständlich. Denn mittlerweile weiß man, dass es zur Lieblingsbeschäftigung von Chatbots gehört, Texte zu, äh,verschlingen. Da kann keine noch so fleißige Feuilletonredakteurin mithalten.
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https://www.fr.de/kultur/timesmager/im-e...t-93751813.html
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