Matthias Matschke: Falschgeld
Berührendes Romandebüt von Matthias Matschke
In Matthias Matschkes Buch "Falschgeld" geht es um das Erinnern. Darum, wie Erinnerungen unsere Identität formen. Der Wirklichkeitsgehalt bleibt dabei sekundär.
Der Schauspieler Matthias Matschke, dessen Theaterkarriere Ende der 90er-Jahre an der Berliner Volksbühne begann, hat unbestritten ein großes darstellerisches Talent. Nun stellt er zum ersten Mal seine Fähigkeiten als Schriftsteller unter Beweis.
Der Romanheld von Matthias Matschke heißt: Matthias Matschke. Das grüne Bonanzarad trägt ihn durch die 70er-Jahre-Kindheit. Und mit dem Volvo von Vater Christian - einem streitbaren, technikaffinen Dorfpfarrer - ist es nicht weit in den angrenzenden Odenwald. Oder zum Frankfurter Flughafen, wo der Sonntagsausflug mit den Eltern vom Mittagessen auf der Besucherterrasse gekrönt wird. Die Mutter arbeitet beim Fernmeldeamt und ehrenamtlich für die Gemeinde ihres Mannes. Auch die Jugend in den 80er-Jahren verläuft für Matthias - bis auf die Versetzung des Vaters in die Verwaltung, dem damit einhergehenden Umzug in ein Neubaugebiet und Wechsel aufs Gymnasium - weitgehend ereignislos.
Ich habe Latein abgewählt und zwei Freistunden. Im Café Chaos gibt es KiBa - Kirsch-Bananensaft - und Rohkostsalat und die richtige Musik, das ist für meine Freunde und mich das Wichtigste. Aber es ist ganz gut, dass meine Freunde nicht da sind, denn ich habe mir gerade eine Jazzplatte gekauft, und Jazz ist in unserem streng geführten Musikkanon nicht gern gesehen: Wave ja, HipHop nein. Pop sehr ausgedünnt. Mahler ja. Mozart nein. Heavy Metal nein. Punk ja. Deutschrock nein. Alban Berg ja. Jazz nein.
Die Versuchung ist groß, den Roman immer wieder auf den autobiografischen Gehalt hin abzuklopfen. Zu fragen, wie viel echter Matthias Matschke wohl im fiktiven steckt. Die Antwort: sicher ein bisschen. Wir haben es aber nicht mit Selbstbespiegelung zu tun. Sondern mit einer Selbstvergewisserungsreise ins Leben, in "ein" Leben.
Ich nehme einen Stein, der glatt ist wie ein Osterei. Jedenfalls rotiert er unrund, als ich ihn auf ein kleines Toilettenfenster der Aussegnungshalle werfe. Die Scheibe zerbricht. Ein Loch. Faustgroß. Ich bin Matthias Matschke.
Dem Ich-Erzähler den eigenen Namen zu geben, ist der Spin des Romans. Ist literarische Akrobatik, eine gewagte Trapeznummer, mit der sich Matschke weit nach oben in die Zirkuskuppel schwingt. Von hier hat er nämlich die beste Sicht. Auf eine Geschichte, die eben nicht die eigene sein muss. Und auf Fragen des Lebens, mit denen wir alle uns beschäftigen. Denn es geht in "Falschgeld" um das Erinnern. Darum, wie Erinnerungen unsere Identität formen. Der Wirklichkeitsgehalt bleibt dabei sekundär.
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