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Matthias Matschke: "Falschgeld"

#1 von Sirius , 25.11.2022 16:00

Matthias Matschke: "Falschgeld"

Matthias Matschke, bisher als Schauspieler und Komiker bekannt, erzählt in seinem Romandebüt präzise und plastisch vom Aufwachsen in der alten BRD und nimmt Abschied von der Gemütlichkeit.

Auf dem Schutzumschlag von Matthias Matschkes Debütroman ist eine Fotografie abgebildet: Ein kleiner Junge mit Mütze und Ohrenklappen hat einen schweren Kreuzschlüssel in der Hand und müht sich, die Radmuttern eines Autos, offensichtlich eines VW Käfer, zu lösen. Beobachtet wird er dabei von einem hinter ihm hockenden Mann, der eine ähnliche Kopfbedeckung trägt und in dessen Halbprofil eine Zigarette im Mundwinkel erkennbar ist. Es handelt sich dabei, so sagt es der Bildnachweis, um eine Aufnahme aus dem Archiv des Autors: "Matthias und Christian Matschke, 1974".

Der Ich-Erzähler des Romans, mit Namen Matthias Matschke, hat dieses Foto im Lauf seiner Jugend oft betrachtet. Doch erst viel später fällt ihm die Zigarette auf. "Mein Vater hat geraucht?", fragt er sich: "Wie konnte ich das vergessen?" Eine scheinbar unwichtige Szene, und doch lässt sich an ihr vieles festmachen, was diesen Roman auszeichnet. Die Detailgenauigkeit, mit der Matthias Matschke in "Falschgeld" das Universum seiner Kindheit neu erfindet. Die Subtilität, mit der Erinnerung und deren Zuverlässigkeit infrage gestellt werden. Und nicht zuletzt - die Rolle von Automobilen als identitätsstiftende Objekte. Schließlich sind wir inmitten der alten Bundesrepublik, nicht weit entfernt von Rüsselsheim.

Matthias Matschke ist dem Fernsehpublikum als Schauspieler in Formaten wie "Pastewka", "Ladykracher" oder der "Heute-Show" bekannt. Matschke ist allerdings auch studierter Germanist, und nichts trifft auf "Falschgeld" weniger zu als das Klischee eines Schauspielers, der jetzt auf einmal sein Leben aufschreiben will. "Falschgeld" ist eine raffiniert mit Wirklichkeitspartikeln spielende Adoleszenzgeschichte, in der unausgesprochen auch vom Ende einer Epoche erzählt wird. "Ich bin Matthias Matschke" - dieser Satz geistert als Leitmotiv durch die nicht chronologisch erzählten Kapitel des Romans. Und das ist zum Teil die Wahrheit und zum Teil gelogen: Matthias Matschke, der Autor, wuchs wie sein Roman-Matthias in einem 300-Seelen-Dorf im vorderen Odenwald auf, etwa 20 Kilometer südöstlich von Darmstadt. Aber schon wenn man die Lebensdaten des Autors und seiner Figur übereinanderlegt, passt es nicht, der Autor ist drei Jahre älter als seine Figur. Diese Nicht-Kongruenz ist entscheidend im Hinblick auf die Perspektive und den Tonfall: Sie erlaubt dem Autor eine Halbdistanz zu seinem Alter Ego; eine Mischung aus Intimität und Ungerührtheit. Nichts in diesem Buch wird nostalgisch verbrämt, nichts wird beklagt, mit niemandem wird abgerechnet.

Weiterlesen:

https://www.sueddeutsche.de/kultur/matth...nsion-1.5699954


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Sirius
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