Jutta Voigt: Wilde Mutter, ferner Vater
Trotz Kritik ist Voigts Buch eine sehr lohnende Lektüre. Es ist berührende Zeit- und Familiengeschichte und nicht zuletzt auch eine Liebeserklärung an die Stadt Berlin.
Die Journalistin Jutta Voigt arbeitete in der DDR viele Jahre bei der Zeitschrift "Sonntag", die man nicht abonnieren, sondern deren Abos man nur erben konnte. Dort hat sie Reportagen und Filmkritiken geschrieben, sie beherrschte die Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Schreibens perfekt. Nach der Wende arbeitete sie unter anderem bei der "Wochenpost" und der "Zeit". Außerdem veröffentlichte sie bereits mehrere Bücher. Das neue erzählt sehr persönlich über ihr Leben in der DDR, ihre Familie und vor allem über ihre Eltern.
Die Eltern von Judy, so nennt sich Jutta Voigt in ihrem Buch, sind Teenager, als sie sich beim Tanzen kennenlernen. Es ist Krieg. Margit, die Mutter, verliebt sich in die blauen Augen von Willi. Sie tanzen Foxtrott und wäre es nicht 1940, hätten sie ihre ganze Jugend noch vor sich.
Je älter Judy war, desto größer wurde ihr Mitleid mit den Eltern, diesen beiden Achtzehnjährigen, denen der Lauf der Geschichte ihre Jugend stahl, sie hatten nur ein halbes Leben. Manchmal ist ihr, als wären Margit und Willi die um ihr Leben betrogenen Kinder und sie, Judy, ihre Mutter.
Als Willi dann einberufen wird, ist Margit schon schwanger. Und für Willi wird der Krieg so traumatisch, dass er sein kurzes Leben lang immer mit den Erinnerungen daran kämpfen wird. Trotz akzeptabler Nachkriegskarriere wird er dem Alkohol verfallen. Posttraumatische Belastungsstörungen diagnostizierte damals kein Arzt und niemand konnte Willi helfen. Für die Mutter aber bedeutet die neue Zeit Aufbruch und Neuerfindung.
Jutta Voigt war eine bekannte Feuilletonistin in der DDR und seit der Wende ist sie eine wichtige Stimme in der Debatte über Ostdeutschland. In diese hat sie sich vor allem über Zeitungsartikel und ihre Bücher eingebracht. Sie veröffentlichte unter anderem Erinnerungen an die Boheme und den Geschmack des Ostens. Der Osten ist ihr Leben und ihr Ding. Darüber schreibt sie auch in ihrem neuen Buch. Über die harten, aber auch hoffnungsvollen Nachkriegsjahre in der frühen DDR. Und über ihre Anfänge als Journalistin bei der Zeitschrift "Sonntag", einer publizistischen Nische.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Wil...t,voigt310.html
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