Busfahrermangel bremst die Verkehrswende in Berlin aus
Der öffentliche Nahverkehr soll gestärkt werden. Doch die Personaldecke wird dünner, weil immer mehr Busfahrer in Rente gehen. Experten warnen: Es wird schlimm.
In seiner Freizeit sammelt Thomas Wagner Oldtimermodelle von Bussen. Er bezeichnet sich als „Busfahrer mit Leib und Seele“. Er sitze schon seit einigen Jahrzehnten für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf dem Fahrersitz und steuere Kunden des Verkehrsunternehmens durch die Hauptstadt, erzählt Wagner. Die Frage, ob ihm sein Traumberuf zurzeit Spaß mache, beantwortet er zurückhaltend. „Ich glaube: insgesamt ja“, sagt er.
Wagner heißt in Wirklichkeit anders. Er will ehrlich über die Umstände sprechen, die ihm die Freude an seinem Beruf ein Stück weit vermiesen. Auf einen Punkt gebracht: Es fehlt seinem Eindruck nach an allen Ecken und Enden an Personal bei der BVG.
Wagner spricht von einer chronischen Unterbesetzung. „Man hofft jeden Tag, dass zum Feierabend auch die Ablösung kommt“, sagt er. Viele Kollegen häuften Überstunden an und ließen sie sich ausbezahlen, um angesichts der Inflation besser über die Runden zu kommen. Auf Erholung vom anstrengenden Dienst verzichteten sie.
Die Fahrpläne spiegelten außerdem häufig nicht mehr das aktuelle Verkehrsaufkommen wider. Vorgesehene Arbeitspausen könnten deshalb oft nicht eingehalten werden, schildert der Busfahrer. „Bei den Nachtfahrten sind die Pläne für Tempo 50 ausgelegt, dabei gilt nachts auf den Hauptstraßen Tempo 30.“ Oft fehle sogar die Zeit für einen dringenden Toilettengang. „Kollegen fahren lieber weiter, um nicht zu spät zu kommen. Viele haben deshalb schon Probleme mit der Blase“, sagt Wagner.
Mathias Kurreck ist Personalrat bei der BVG. Er bestätigt, dass das Unterdrücken des Harndrangs für viele Kollegen im Dienst inzwischen zum Alltag gehöre. Dienstpausen verkürzen sich, weil der Berliner Verkehr immer unberechenbarer wird. Baustellen behindern den Fluss auf den Straßen. Unfälle geschehen. Und seit Monaten legen in Berlin immer wieder Klimaaktivisten Hauptverkehrsrouten lahm, indem sie sich auf den Asphalt kleben.
Es fehle in Berlin außerdem an Toilettenanlagen für Busfahrer. Widerstand gegen WC-Häuschen käme oft aus den Bezirken. Der Senat erkläre dann, ihm seien die Hände gebunden, kritisiert der Personalrat.
Der Hebel für die Attraktivität des Busfahrerberufs in Berlin ist aus Sicht des Personalrats nicht die Bezahlung, es sind die Arbeitsbedingungen. Ein wesentliches Thema: der Stress während der Arbeit. Den Tarifabschluss zwischen der BVG und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bezeichnet Kurreck als „sehr auskömmlich“. Die Einigung sah eine stufenweise Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden auf 37,5 Stunden bis zum Jahr 2024 vor. Darüber hinaus werden Gehälter in drei Stufen um bis zu 4,6 Prozent erhöht.
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