Der Bücherkater: Krieg 153
Lange gab es keine Neuigkeiten mehr vom Bücherkater. Jetzt ist er mit seiner Klugheit wieder da.
Du musst wieder fröhlicher werden, sagte der Bücherkater, denn wenn Bücher sprechen konnten, dann konnte auch der Bücherkater sprechen: Du musst wieder hoffnungsvoller werden. Ich weiß, sagte der Autor. Nur wie denn. Wie soll das denn gehen. Und wo warst du überhaupt so lange.
Ist doch Winter, sagte der Bücherkater. Ich weiß doch, sagte der Autor. Ich war drinnen. Ich habe nachgedacht. Ihr macht alles falsch, sagte der Bücherkater. Ich weiß, sagte der Autor. Aber alles?
Fast alles. Jedenfalls macht ihr euch alles kaputt, sagte der Bücherkater. Ich weiß, sagte der Autor. Das ist es ja.
Vor Jahren hatten die Menschen dem Bücherkater alles kaputtgemacht. Sein Haus abgerissen, das Haus des Büchermannes. Alle seine Bücher weggenommen, zwischen denen er von klein auf wohnte. Der Bücherkater hatte es schwergehabt, aber der Bücherkater war stark geblieben, und er hatte uns Menschen verziehen. Dann hatte der Bücherkater nachgedacht.
Deine Freunde sagen, du wirst hier zu verzweifelt. Sie sagen, es macht die Menschen traurig, die das jede Woche lesen, sagte der Bücherkater. 153 Wochen und acht Jahre Krieg, sagte ich. Da darf man traurig sein. Da muss man traurig sein. Oder etwa nicht. Manche Menschen schreiben mir, dass ihnen das hilft, wenn wir hier gemeinsam traurig sind.
Da darf man traurig sein, sagte der Bücherkater. Und wegen der ganzen Politik auch und wegen der vielen Dummheit, sagte der Autor. Ja, deswegen auch, sagte der Bücherkater, aber wenn wir jetzt alle die ganze Zeit nur noch traurig sind, dann bringt das ja auch nichts. Ich weiß, sagte der Autor.
Warum bist du nicht traurig, fragte der Autor. Bin ich doch, sagte der Bücherkater. Was meinst du, wie traurig ich war, als der Büchermann starb und unser ganzes Haus kaputtgemacht wurde. Erst habe ich gekämpft, dann habe ich gemerkt, dass ich allein nichts gegen die Hauszerstörer machen konnte, dann habe ich gute Freunde gefunden, euch, und dann ist das Leben wieder besser geworden, und jetzt zerstört niemand mehr unser Haus.
Du hast gekämpft, sagte der Autor, ums Überleben. Ja, sagte der Bücherkater. Man darf traurig sein, manchmal muss man auch traurig sein, es hilft, gemeinsam traurig zu sein, aber am meisten hilft es, wenn man dann gemeinsam kämpft. Und wenn man für jemanden da ist. Wie ihr für mich da wart. Ich weiß, sagte der Autor. Abgemacht, sagte der Bücherkater.
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