Weihnachtsabend
Am dunklen Fenstern stand ich lang
Und schaute auf die weiße Stadt
Und horchte auf den Glockenklang,
Bis nun auch er versungen hat.
Nun blickt die stille reine Nacht
Traumhaft im kühlen Winterschein,
Vom bleichen Silbermond bewacht,
In meine Einsamkeit herein.
Weihnacht! - Ein tiefes Heimweh schreit
Aus meiner Brust und denkt mit Gram
An jene ferne, stille Zeit,
Da auch für mich die Weihnacht kam.
Seither voll dunkler Leidenschaft
Lief ich auf Erden kreuz und quer
In ruheloser Wanderschaft
nach Weisheit, Gold und Glück umher.
Nun rast' ich müde und besiegt
An meines letzten Weges Saum,
Und in der blauen Ferne liegt
Heimat und Jugend wie ein Traum.
Herrmann Hesse
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Der Atzvend hat seine Schuldigkeit getan, die Rauhnächte kommen.
"Raunächte, alte Schreibung: Rauhnächte, die zwölf Nächte (daher auch Zwölfnächte genannt) vom 25. Dezember bis zum 6. Januar. Ursprünglich wurden nur vier Nächte als Raunächte bezeichnet: die Thomasnacht am 21. Dezember, die Christnacht, die Silvesternacht und die Nacht auf Heilige Drei Könige. Die längsten Nächte in der kältesten Jahreszeit waren seit Urzeiten mit mancherlei (meist irrationalen) Ängsten verbunden, denen man durch Beschwörungsformeln, in christlicher Zeit dann durch Gebete und das Räuchern aller Räume des Hauses und selbst der Stallungen mit Weihrauch zu begegnen suchte (daher auch Rauchnächte). Viele alltägliche Verrichtungen galt es zu vermeiden, um keinen bösen Fluch auf sich zu ziehen. So musste die große Wäsche bis zum Dreikönigstag warten. Es wurde nicht gesponnen, „weil sonst Frau Holle (eine Hexe) den Rocken verunreinigt” oder weil man fürchtete, Zank und Ungeziefer ins Haus zu spinnen. Hülsenfrüchte wurden vom Speisenplan gestrichen, „weil sie in dieser rauhen Zeit Geschwüre machen”. Auch das Vieh war in Gefahr, weshalb man zur Abwehr böser Geister die weißen Beeren der Mistel ins Futter mischte. Selbst Pflanzen konnten verhext werden und dann keine Früchte mehr tragen. So schüttelte man nachts die Obstbäume und rief: „Bäumlein, schlafe nicht, Frau Holle kommt!” Auch Großzügigkeit gegenüber Bettlern und anderen „Heischenden” (wie den Sternsingern) trug dazu bei, die bösen Geister (Perchten) zu besänftigen. (Unser „Trinkgeld” für die Müllabfuhr zum Neuen Jahr wurzelt in diesem Aberglauben.) Andererseits eigneten sich die Raunächte gut für Los- und Orakelbräuche, woran noch heute das Bleigießen zu Silvester erinnert. Träume in den Raunächten sind besonders ernst zu nehmen."
(Sutters Weihnachtslexikon)
Herzlichen Dank für eure tollen Beiträge in unserem etwas anderen Atzvendskalender!
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Dr. Erhard Jöst (geb. 1947)
Fragenreiche Zeit
Markt und Kauf-Land füllen Kassen,
Neonlichter flackern grell.
Menschen gierig Waren fassen,
taumelnd wie im Karussell.
Städte schlucken Blechlawinen,
spucken sie dann dröhnend aus.
Manchmal bersten Coktail-Minen
hinterm Weihnachts-Waren-Haus.
Düsenjäger werfen Bomben
für den Frieden in der Welt,
und die Rüstungslobbyisten
zählen grinsend Weihnachtsgeld.
Jesus trifft in Palästina
den Propheten Mohammed,
fragend, ob Gott oder Allah
gnädig Wohlgefallen hätt
an den Menschen, die hier wohnen,
in den Wüsten eingeschneit,
und sich selber künstlich klonen:
O du fragenreiche Zeit!
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Die bösen Nächte
Nun naht ihr euch, ihr bösen Nächte,
In denen Engel Teufel sind!
Der Weihnachtsstern erzittert blind,
Auf dass er den Herodes brächte
Zum windelnassen Jesuskind.
Verfinstert wie vom Höllenstaube
Sind Bethlehemens Wald und Flur.
O, Joseph! Deine Frau liebt nur
Den Teufel, der im Lustgeschnaube
Ihr ewige Besuche schwur!
Zu spät! Hier sind die Höllentage!
Man nennt sie auch: die Weihnachtszeit.
Seit Christgeburt erfüllt von Streit
Beschrein sie Gottes Niederlage
Und Satans Sieg in Ewigkeit.
Katharina von Bora
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Weihnachten, das ist so eine Sache...
Der Briefkasten prallvoll mit Werbung, Schokoladennikolaus im September, die Christbaumkugel löst den Kürbis ab..., das alles kann einem ganz schön auf den Keks gehen, keine Frage.
Doch will ich mir mein Fest davon nicht vermiesen lassen. Ich ignoriere all dies nach dem Motto: Seh ich Böses, hör ich nicht hin. Im Ignorieren trainiere ich gerade für den 7. Dan.
Wären da nicht diese frühesten Kindheitserinnerungen, hätte ich mit Weihnachten wohl wesentlich größere Probleme. Doch zum Glück erinnere ich mich noch an die Zeit, die eine gute war.
Es ist Nikolausabend. Ich bin drei Jahre alt. Dreieinhalb um genau zu sein. Wir sitzen in der Wohnküche, am allseits bekannten Küchentisch. Meine Brüder und ich machen Schattenspiele im Schein der Kerzen. Mama liest uns eine Geschichte vor. Plötzlich rumpelt es im Badezimmer, ein irrer Krach ertönt, wir sitzen erschrocken mit offenen Mündern, bis meine Mutter sich ein Herz und unsere Hände fasst und mit uns die Bescherung im Bad begutachtet. Durch das offene Fenster hat der Nikolaus einen Sack mit Nüssen, Obst und Süßigkeiten geschüttet und die Nüsse wollen gar nicht aufhören, auf den Fliesen zu tanzen. Unsere Freude ist riesig und eifrig sammeln wir all die Schätze ein.
Bald ist Weihnachten. Mama sitzt bis spät in der Nacht in der Küche. Papa kommt erst mitten in der Nacht aus seiner Werkstatt zurück. Ein Wispern und ein Heimlichtun – auch am Tage.
Endlich, endlich ist Heiligabend! Wir sind so aufgeregt. Schlafen? Am Nachmittag? Davon kann keine Rede sein!
Warten! Die Zeit scheint stehenzubleiben. Warum dauert es nur so lange? Hört! Es hat geklingelt!
Da steht ein Baum. Die Kerzen brennen. Wir nehmen uns in den Arm, küssen uns, singen und staunen. Bestürmen die bunten Teller, die mit heiß begehrten Süßigkeiten bestückt sind. Eine Puppe wartet auf mich. Eine wunderschöne Puppe, die liebevoll eingekleidet in einem Puppenbett liegt. Ich liebe sie vom ersten Augenblick an. Auch meine Brüder können nicht glauben, was sie sehen. Da steht eine Eisenbahnwelt, mit allem, was sich kleine Jungen nur wünschen können und ein Hebekran, der Dank eines Schaltpultes keine Wünsche offen lässt. Unsere Freude ist überbordend. Wir spielen, reden, naschen, lachen, bis sich der Schlaf unserer bemächtigt. – So schön und unbeschwert war es nie wieder – aber, es war!
Diese Liebe, diese Freude am Freudebereiten hat meine Eltern nie verlassen, doch die Zeit wurde eine andere, nicht nur zu Weihnachten.
Dass meine Mutter nachts für uns und meine Puppe Kleidung und Wäsche nähte, dass mein Vater sowohl Puppenbett, Eisenbahn, als auch den großen Kran nachts in seiner Werkstatt baute, begriff ich erst viel später.
Auch wenn ich den Mantel des Christentums schon als Kind abgelegt habe, feiere ich gerne dieses helle Fest in der dunklen Zeit als Lichterfest, Familienfest, Wintersonnwende. Wir feiern und beschenken uns nicht nur zur Weihnachtszeit, aber eben auch.
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Danke, Lotte, für diese feine Weihnachtsgeschichte über ein Weihnachten, das heute wohl verpönt wäre wegen seiner Schlichtheit und einem Zusammengehörigkeitsgefühl, das den Egoisten eh fremd ist.
Sirius
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Eine wirklich warmherzige Weihnachtsgeschichte, Lotte.
Schön, dass du dir solche bunten Erinnerungen aufhebst...
Jonny
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Michael Görze
Vom Weihnachtsblödmann
Oh scheiß, schon wieder Weihnachten,
nun muss ich leider sagen,
das Christkind wurde überfahrn,
und ich muss Trauer tragen.
Doch keine Angst ich komm zu Euch,
und werd Euch etwas bringen,
Schläge auf den nackten Arsch,
könnt Ihr kein Lied mir singen.
Ich weiß ja nicht was Ihr Euch wünscht,
was wollt Ihr denn so haben?
Die ganze Weihnacht Stromausfall,
und in der Küche Schaben?
Papa hat keine Arbeit mehr,
die Mutter ein Verehrer,
die Tochter geht jetzt auf dem Strich,
der Sohn verprügelt Lehrer.
Dann hole doch die Nanni Dir,
die kann es vielleicht richten,
vergiss bloß nicht im alten Jahr,
die Rechnungen vernichten.
In der Küche brennt die Gans,
es hat schon so gerochen,
geh nächstes Jahr zum ZDF,
da lernst Du endlich Kochen.
Der Eine freut sich auf die Gans,
der Andre auf die Gaben,
ein Lotto 6er wär mir recht,
dann kann ich alles haben.
Benzin wird auch nicht billiger,
bald müssen wir wohl laufen,
genauso ist es mit dem Bier,
ich mag schon nicht mehr saufen.
So wünschen wir wie jedes Jahr,
uns gutes nur vom Andern,
und möchtest Du das Alles nicht,
kannst immer noch auswandern.
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Nikolausgedicht der Frau:
Müde bin ich, geh zur Ruh,
mache meine Augen zu.
Lieber Nikolaus bevor ich schlaf,
bitte ich Dich noch um was.
Schick mir mal 'nen netten Mann,
der auch wirklich alles kann.
Der mir Komplimente macht,
nicht über meinen Hintern lacht,
mich stets nur auf den Händen trägt
und sich Geburtstage einprägt,
Sex nur will, wenn ich grad mag
und mich dann liebt den ganzen Tag.
Soll die Füße mir massieren
und mich chic zum Essen führen.
Er soll treu und zärtlich sein
und mein bester Freund noch oben drein.
-
Nikolausgedicht des Mannes:
Lieber Nikolaus,
schicke mir eine taubstumme Nymphomanin
die einen Getränke- oder Fleischhandel besitzt
und Jahreskarten für die Allianz-Arena
Und es ist mir scheißegal,
dass sich das nicht reimt!
http://www.swr3.de/comedy/comedy-archiv/...hu20/index.html
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Zitat von scrabblix
Weihnachten, das ist so eine Sache...
Der Briefkasten prallvoll mit Werbung, Schokoladennikolaus im September, die Christbaumkugel löst den Kürbis ab..., das alles kann einem ganz schön auf den Keks gehen, keine Frage.
Doch will ich mir mein Fest davon nicht vermiesen lassen. Ich ignoriere all dies nach dem Motto: Seh ich Böses, hör ich nicht hin. Im Ignorieren trainiere ich gerade für den 7. Dan.
Wären da nicht diese frühesten Kindheitserinnerungen, hätte ich mit Weihnachten wohl wesentlich größere Probleme. Doch zum Glück erinnere ich mich noch an die Zeit, die eine gute war.
Es ist Nikolausabend. Ich bin drei Jahre alt. Dreieinhalb um genau zu sein. Wir sitzen in der Wohnküche, am allseits bekannten Küchentisch. Meine Brüder und ich machen Schattenspiele im Schein der Kerzen. Mama liest uns eine Geschichte vor. Plötzlich rumpelt es im Badezimmer, ein irrer Krach ertönt, wir sitzen erschrocken mit offenen Mündern, bis meine Mutter sich ein Herz und unsere Hände fasst und mit uns die Bescherung im Bad begutachtet. Durch das offene Fenster hat der Nikolaus einen Sack mit Nüssen, Obst und Süßigkeiten geschüttet und die Nüsse wollen gar nicht aufhören, auf den Fliesen zu tanzen. Unsere Freude ist riesig und eifrig sammeln wir all die Schätze ein.
Bald ist Weihnachten. Mama sitzt bis spät in der Nacht in der Küche. Papa kommt erst mitten in der Nacht aus seiner Werkstatt zurück. Ein Wispern und ein Heimlichtun – auch am Tage.
Endlich, endlich ist Heiligabend! Wir sind so aufgeregt. Schlafen? Am Nachmittag? Davon kann keine Rede sein!
Warten! Die Zeit scheint stehenzubleiben. Warum dauert es nur so lange? Hört! Es hat geklingelt!
Da steht ein Baum. Die Kerzen brennen. Wir nehmen uns in den Arm, küssen uns, singen und staunen. Bestürmen die bunten Teller, die mit heiß begehrten Süßigkeiten bestückt sind. Eine Puppe wartet auf mich. Eine wunderschöne Puppe, die liebevoll eingekleidet in einem Puppenbett liegt. Ich liebe sie vom ersten Augenblick an. Auch meine Brüder können nicht glauben, was sie sehen. Da steht eine Eisenbahnwelt, mit allem, was sich kleine Jungen nur wünschen können und ein Hebekran, der Dank eines Schaltpultes keine Wünsche offen lässt. Unsere Freude ist überbordend. Wir spielen, reden, naschen, lachen, bis sich der Schlaf unserer bemächtigt. – So schön und unbeschwert war es nie wieder – aber, es war!
Diese Liebe, diese Freude am Freudebereiten hat meine Eltern nie verlassen, doch die Zeit wurde eine andere, nicht nur zu Weihnachten.
Dass meine Mutter nachts für uns und meine Puppe Kleidung und Wäsche nähte, dass mein Vater sowohl Puppenbett, Eisenbahn, als auch den großen Kran nachts in seiner Werkstatt baute, begriff ich erst viel später.
Auch wenn ich den Mantel des Christentums schon als Kind abgelegt habe, feiere ich gerne dieses helle Fest in der dunklen Zeit als Lichterfest, Familienfest, Wintersonnwende. Wir feiern und beschenken uns nicht nur zur Weihnachtszeit, aber eben auch.
Liebe Lotte,
wie schön, diese Geschichte zu lesen. Vielen Dank!
Leo
Schreiben macht schön.
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Welche Freude, euch eine Freude gemacht zu haben, ihr Lieben!
Herzlichen Dank an euch!
Wie macht ihr das bloß?
Meine Tochter war schon 'groß' und 'aufgeklärt', was so viel bedeutet, dass sie wusste, dass es keinen Nikolaus gibt, der den Kindern die Geschenke bringt. Nichtsdestotrotz blieben jahrelang gewisse Zweifel, ob er nicht doch existiere.
Am Nikolausabend saßen wir immer gemütlich bei Kerzenschein zusammen, quatschten, erzählten Geschichten, sangen Lieder. Einer von uns verschwand zwischendurch mal kurz im Bad, kletterte aus dem Fenster, rannte schnell ums Haus zum Hauseingang, stellte die Nikolaustüten ab und hämmerte mit der Faust laustark gegen die Tür. Meine Tochter erschrak jedesmal dermaßen, dass ihr gar nicht auffiel, dass gerade jemand aus dem Bad zurückkehrte. Sie war sich absolut sicher, dass wir alle anwesend waren, während es an der Tür klopfte. Viele Jahre beschäftigt sie die Frage: "Wie macht ihr das bloß?".
Auch heute noch verbringen wir diesen Abend gemeinsam. Meine Enkelin war regelrecht empört, als sie während ihres Neuseelandaufenthaltes im letzten Jahr erfuhr, dass wir uns ausnahmsweise zum Nikolausabend nicht zusammengesetzt und uns einen Gemütlichen gemacht hatten.
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Ode an meine Großmutter
Charles, Prince of Wales, schrieb dieses Gedicht an seine Großmutter – die sogenannte Queen Mum – im Alter von elf Jahren. Die kongeniale Übersetzung besorgte Mattis Larsmeyer.
Mein Füßlein friert, mein Auge wacht,
Ein Schnatterwind fährt durch die Nacht;
Weißröckchen rauschen dicht und weit
Und stöbern in verschneiter Zeit
Nach deinem Raureif, deinem Kleid,
Nach deinem Zapfen Eis, nach Gin –
Wo schmolz das alles hin, ja hin?
O schlitterfroher Stöbersinn
Ein Schneemann rodelt durch die Nacht,
Er fährt zu dir, mein Auge wacht.
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Eine etwas andere Adventsgeschichte
Der Adpfent ist die schönste Zeit im Winter. Die meist’n Leute haben imWinter eine Grippe. Die ist mit Fieber. Wir haben auch eine, aber die ist mit Beleuchtung und man schreibt sie mit K. Drei Wochen bevor das Christkindl kommt,stellt der Papa die Krippe im Wohnzimmer auf und meine kleine Schwester und ich dürfen mithelfen. Viele Krippen sind langweilig, aber die unsere nicht, weil wir haben mordstolle Figuren drin. Ich habe einmal den Josef und das Christkindl auf den Ofen gestellt, damit sie es schön warm haben und es wurde ihnen zu heiß. Das Christkindl ist schwarz geworden und den Josef hat es in lauter Trümmer zerrissen. Der Fuß von ihm ist bis in den Plätzchenteig geflogen und es war kein schöner Anblick. Meine Mama hat mich geschimpft und gesagt, daß nicht einmal die Heiligen von meiner Blödheit sicher sind. Wenn Maria ohne Mann und ohne Kind herumsteht, sieht es nicht gut aus. Aber ich habe Gottseidank viele Figuren in meiner Spielkiste und der Josef ist jetzt Donald Duck.
Als Christkind wollte ich den Asterix nehmen, weil der ist als einziger so klein, daß er in den Futtertrog gepaßt hätte. Da hat meine Mama gesagt, man kann doch als Christkind keinen Asterix nicht hernehmen, da ist ja das verbrannte Christkindl noch besser. Es ist zwar schwarz, aber immerhin ein Christkindl. Hinter dem Christkindl stehen zwei Ox’n, ein Esel, ein Nilpferd und ein Brontosaurier. Das Nilpferd und den Saurier habe ich hineingestellt, weil der Ox und der Esel waren mir allein zu langweilig. Links neben dem Stall kommen gerade die heiligen drei Könige daher. Ein König ist dem Papa im letzten Adpfent beim Putzen heruntergefallen und er war total kaputt. Jetzt haben wir nur noch zwei heilige Könige und einen heiligen Batmann als Ersatz. Normal haben die heiligen Könige einen Haufen Zeug für das Christkindl dabei. Nämlich Gold, Weihrauch und Püree oder so ähnlich. Von den unseren hat einer anstatt Gold ein Kaugummipapierl dabei, das glänzt auch schön. Der andere hat eine Marlboro in der Hand, weil wir keinen Weihrauch nicht haben. Aber die Marlboro raucht auch schön , wenn man sie anzündet. Der heilige Batmann hat eine Pistole dabei. Das ist zwar kein Geschenk für das Christkindl, aber damit kann er es vor dem Saurier beschützen.
Hinter den heiligen Königen sein ein paar rothäutige Indianer und ein kasiger Engel. Dem Engel ist ein Fuß Abgebrochen, darum haben wir ihn auf ein Motorrad gesetzt, damit er sich leichter tut. Mit dem Motorrad kann er fahren, wenn er nicht gerade fliegt. Rechts neben dem Stall haben wir ein Rotkäppchen hingestellt. Sie hat eine Pizza und drei Weißbier fürdie Oma dabei. Einen Wolf haben wir nicht, darum lurrt hinter dem Baum ein Stierkalb als Ersatzwolf hervor. Mehr steht in unserer Krippe nicht, aber das reicht voll. Am Abend schalten wir die Lampe an und dann ist unsere Krippe erst so richtig schön. Wir sitzen so herum und singen Lieder vom Adpfent. Manche gefallen mir, aber die meisten sind mir zu lusert. Mein Opa hat mir ein Gedicht vom Adpfent gelernt und das geht so:“
Adpfent, Adpfent, der Börwurz brennt.
Erst trinka oan, dann zwoa, drei vier, dann hauts dich mit dem Hirn an Tür“!
Obwohl dieses Gedicht recht schön ist, hat die Mama gesagt, daß ich es mir nicht merken darf. Bis man schaut, ist der Adpfent vorbei und Weihnachten auch und mit dem Jahr geht es dahin. Die Geschenke sind ausgepackt und man kriegt vor Ostern nichts mehr, höchstens wenn man vorher Geburtstag hat. Aber eines ist gewiss, Der Adpfent kommt immer wieder.
15 Dezember, 2007 — Pressestelle Satire-Journalismus
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Klabund (1890-1928)
Berliner Weihnacht 1918
Am Kurfürstendamm da hocken zusamm
Die Leute von heute mit großem Tamtam.
Brillanten mit Tanten, ein Frack mit was drin,
Ein Nerzpelz, ein Steinherz, ein Doppelkinn.
Perlen perlen, es perlt der Champagner.
Kokotten spotten: Wer will, der kann ja
Fünf Braune für mich auf das Tischtuch zählen ...
Na, Schieber, mein Lieber? - Nee, uns kanns nich fehlen,
Und wenn Millionen vor Hunger krepieren:
Wir wolln uns mal wieder amüsieren.
Am Wedding ists totenstill und dunkel.
Keines Baumes Gefunkel, keines Traumes Gefunkel.
Keine Kohle, kein Licht ... im Zimmereck
Liegt der Mann besoffen im Dreck.
Kein Geld - keine Welt, kein Held zum lieben ...
Von sieben Kindern sind zwei geblieben,
Ohne Hemd auf der Streu, rachitisch und böse.
Sie hungern - und fressen ihr eignes Gekröse.
Zwei magre Nutten im Haustor frieren:
Wir wolln uns mal wieder amüsieren.
Es schneit, es stürmt. Eine Stimme schreit: Halt ...
Über die Dächer türmt eine dunkle Gestalt ...
Die Blicke brennen, mit letzter Kraft
Umspannt die Hand einen Fahnenschaft.
Die Fahne vom neunten November, bedreckt,
Er ist der letzte, der sie noch reckt ...
Zivilisten ... Soldaten ... tach tach tach ...
Salvenfeuer ... ein Fall vom Dach ...
Die deutsche Revolution ist tot ...
Der weiße Schnee färbt sich blutrot ...
Die Gaslaternen flackern und stieren ...
Wir wolln uns mal wieder amüsieren .
Reset the World!
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Weihnachten
So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!
Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
- bei Deutschen fruchtet keine Lehre -
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse gröhlt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
o Tannebaum!
Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mit der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!
Kurt Tucholsky (1918)
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