Dort, ohne Licht. Die Trippelschritte des Mädchens am Schattenrand. Im Dunkel die Ernsthaftigkeit der Alten. Die ausgeschlagene Hand. In der Spur des Düsteren geht das Kind allein.
Blumen zittern auf schlechtem Boden, nicken mutig im dürren Gras, und das Kind will aus der Reihe treten, weil im Schatten der kalte Wind aus den Südhängen sein Unwesen treibt.
Ganz hoch oben Krähen, brunnentief ihre rauen Lieder. Der alte Mann wird nicht mehr da sein.
Das Dorf kauert vor dem Friedhof, ein unordentliches Konglomerat aus Häusern und kleinen Gassen, leergeräumt für den Moment, in dem ein Kind verloren geht.
Es riecht nach Braten und gutem Kaffee. Braten und guter Kaffee. Der Geruch nach den Toten, dem letzten Geleit. Die Blumen laden zum Pflücken ein, bevor sie im Winter verschwinden.
Wichtige Männer tauchen auf. Bürgermeister, Pferdehändler und Vertreter der Partei. Das Kind erkennt die wichtigen Leute an ihren Stimmen über schweigenden Köpfen.
Der Hunger ist so alt wie das Dorf. Wenn ein Mensch stirbt, gibt es gutes Essen. Braten und guter Kaffee. Die einsamen Blumen. Der Wind im Schatten. Die ausgeschlagene Hand. Saubere Schuhe und gebügelte Hosen. Umrahmt von schweigenden Türmen zum Himmel, gebeugt unter Krähen, die Jagd auf Hasenkinder machen.
Der alte Mann hat keine klebrigen Süßigkeiten mehr. Das Kind hat die Blumen vergessen.
Die letzten Worte fallen in eine Grube. Die wichtigen Männer sagen nichts mehr.
Die Berge verschränken ihre felsigen Arme und holen sich die Wolken. Auf dem Rückweg schlägt die Kirchenglocke zu den Schritten wie ein riesenhaftes Metronom. Über den Augen der Alten sammeln sich magere Jahre und machen die grauweißen Haare stumpf.
Die Schritte des Mädchens am Schattenrand. Die finstere Mühle unter dem Dorf. Der alte Mann dort mit stummen Schreien. Nur der Hunger ist wie eine freundliche Schwester, die, ein wenig verträumt, an der Sonne zupft, um kaltes Licht zu verteilen. Ein zerspringendes Lachen am kleinen Bach, hinter den Blumen, unter den Krähen, vor den nächsten Stunden.
Die alte Frau nimmt das Kind an ihre Hand, eine kalte Hand, nahe der finsteren Mühle und Teil der Schatten, die auch im Sommer bleiben. Über den Augen des Kindes sammeln sich sieben magere Jahre und werden dort bleiben.
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Lieber Gregory,
die Spur des Bösen hat mich in ihren Bann gezogen. Ich rätsele zwar noch, bin der Lösung aber auf der Spur.
Lieben Gruß
scrabblix
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Es ist die Spur des Düsteren, des Beerdigungszuges in einem typischen Dorf der damaligen DDR. Ja, die Kirchenglocke durfte läuten.
Danke für die Rückmeldung.
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Drehbuchartige Schreibe, man hat das Gefühl, dass ein Zeigefinger von hinten an die Leseaugen stupst und die Richtungen bestimmt. Was mich hier aber nicht stört, denn der im Text enthaltene Tiefgang ist (für mich) fesselnd gut. Sehr gerne gelesen, hab auch ein Lesezeichen gesetzt, da mich interessiert, wie dieser Film wohl morgen ausschaut..
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Schaut gut aus. Gibt es noch mehr Spuren im Düsteren?
Grüße
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Ja. Die Dorfchroniken sind Teil meines Lebens, und langsam habe ich den Stil gefunden, sie zu erzählen. In Kürze kommt die nächste Episode.
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