Hier ein weiteres Kapitel aus meinem langweiligen Leben. Der Originaltext ging verloren, also schreibe ich neu und zwangsläufig anders.
Nach der Diagnose 'Hepatites C' (Nehmen Sie es wie ein Mann, das haben Sie nun von Ihren kleinen Spielchen), verließ ich meine aktuelle einzig wahre Liebe, wartete noch drei Monate ab, bis ich sicher war, sie nicht infiziert zu haben und flog für ewig nach Izmir. Weg! Nix wie Weg!
Immerhin aber kam fast ein Jahr bei rum.
Für zwei deutsche Innenausbaufirmen, vornehmlich auf Gastronomieobjekte spezialisiert, ließ ich dort Halbprodukte, später komplette Einrichtungen fertigen, wohnte im Hotel und beklagte mein Schicksal. Nichtsdestotrotz war ich schnell beliebt, besonders bei den Apothekern, die teilweise noch unregistrierte Vorräte vom Feinsten hatten, aus der Zeit, als es in der Türkei so etwas wie Apothekengesetze kaum gab.
Ab 13.00 Uhr spätestens machte ich Feierabend, trank ein Fläschchen Sedex-B, - manchmal gab es Tinktura Opii, Kodein in Standgefäßen, Mogadon -, setzte mich in eine Kneipe und schrieb Gedichte - auf türkisch.
Nun sind die Türken von Natur aus ziemlich mediterran. Gemütlich fast - es sei denn, sie drehen gerade durch. Türsteher mit Detektoren vor jedem Nachtclub sind mehr als pitoresker Lokalcolorit. Waffenscheine sind rar, aber da mindestens eine Plempe zur Grundausstattung eines echten Mannes gehört, wird die Nacht dennoch häufig von unbekümmerten Rumgeballer aufgeschreckt.
Nun gib es aber eine Lücke in den rigiden Waffengesetzen: Sie gelten nicht für Ausländer, weil man davon ausgeht, dass diese das Land wieder verlassen. Also lustwandelte ich durch das Viertel der Waffenhändler und kaufte mir ein beeindruckendes Zeugnis der ottomanischen Schmiedekunst: Eine vollautomatische Flinte ohne gezogenen Lauf, 12 mm für Geschoss oder Schrot, eine Patrone in der Kammer und acht im Pistolengriff - ganz deutlich eine Jagdwaffe, welche man sich bei knapper 65 cm Länge bequem in den Schulterhalfter schieben kann.
Ich zahlte 150,00 DM bekam eine Quittung über 100,00 DM, - so-sind-se-da-unten -, ließ mir das Ding einpacken, als ob es ein Baguette sei und marschierte - Dillinger lebt - mit geändertem Schwerpunkt schnurstracks in meine Stammkneipe. Auf dem Klo lud ich das Ding und setzte mich wieder an meinen Tisch. Kein Aas nahm gesteigerten Notiz von mir, schließlich war ich Stammkunde. Niemand ahnte auch nur mit den Resten tiefverwurzelter Instinkte von meiner Fähigkeit, diesen Laden innerhalb von zehn Sekunden in ein Schlachthaus zu verwandeln.
Natürlich brachte ich es nicht über das Herz, trank bloß einige Biere, rauchte etwas Plaka Sigaralik, futterte eine Portion Lammkotelett mit Kekik (Oregano) und Tomatennudeln. Dann verzog mich ins Hotel.
Dort entlud ich die Waffe, prüfte mehrmals ob sich wirklich keine Patrone im Lauf oder in der Kammer befindet und richtete dann das Ding auf mich selber. Besser geschrieben, ich versuchte es. Nur - es ging einfach nicht. Immer wenn dieses todbringende Auge in meine Richtung drohte zu blicken, reagierte mein Körper mit Fluchtbewegungen. Ich war nicht in der Lage die Waffe und mich auf eine Linie zu bringen.
Als ich ausreichend geschmollt hatte, flog ich zurück, aber zuerst musste ich das Ding da wieder los werden. Schwierig. Nachts mit einem geklauten Fischerbot an Zollbeamten, Polizisten, Soldaten und Geheimagenten vorbei rudern, die im Hafen einer griechischen Invasion vorbeugen, und im Meer versenken? Nee, soviel Raki kann ich gar nicht trinken. Im Hotel zurück lassen? Und wenn damit später mal etwas Seltsames geschieht? Die Waffe steht schließlich inclusive meiner Daten im Händlerbuch.
Ich habe sie dann einem Schützenverein geschenkt.
Meine einzig wahre große Liebe lief mir direkt vor dem Bahnhof vor die Füsse. Sie trug ein billiges, bedrucktes Sommerkleidchen und sah aus wie ... einfach wunderschön. Ihre braunen Augen strahlten mich an: "Hey, wie geht's?"
"Grunz!", und ich ging weiter.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Tja, mit den Mädels kannst du besser umgehen als mit Waffen. Dein Charme ist wirklich beeindruckend. Vor allem, dass du immer wieder lebend davon kommst.
Auf jeden Fall war deine Geschichte hochinteressant zu lesen und vergnüglich geschrieben (Ich kann mich ja an einem "Grunz" saumäßig erfreuen. )
Sirius
Reset the World!
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Da hast du wohl den richtigen Weg gewählt.
Mit der Kanone in der Tasche kann man ja schnell mal einen Fehler machen
und unbeliebte Nebenbuhler großer Lieben zur Ordnung rufen.
Ja nun, mit der Liebe hast du wohl deine eigene Art zu kommunizieren...
Habe ich wieder gern gelesen - unterhaltsam und - Karle eben.
Jonny
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Von wegen, lieber Sirius, ich wüsste mit Frauen umzugehen. Ich habe nach Izmir fast ein Jahr lang im Blöden Egon gesessen und aus dem Fenster geblickt - auf den Moment gewartet, wenn SIE zum Bäcker ging, um dann besonders viel Bier in mich hinein zu schütten.
Anfangs wusste man noch nicht viel über diese Krankheit. Ich rechnete mit einem unangenehmen Abgang in absehbarer Zeit. Ich war hysterisch, verzweifelt, negativ, besoffen oder verkatert. Eine Kumpelina gab mir einen Artikel aus der Ärztezeitung zu lesen: Langzeitstudien über 10 Jahre hätten ergeben, dass bei (ich glaube) ca. 300 Paaren, die ungeschützen Sex praktizierten, keine Übertragung vom Infizierten zum Partner stattfand. Ich könne aufhören mich zu bejammern. (Diesen Artikel kann ich jederzeit wieder im Netz finden, falls wer mit dem selben Problem hier im Forum präsent sein sollte)
Dann zeigte sie mir 14 Tage lang, wie viel Spass man mit einander haben kann, wenn man als Duo dem wahrhaft Existentziellen auf den Grund geht. Gaaaanz bezaubernd. Ich verkraftete es nicht lange. Irgendwas hatte sich als kaputtbar erwiesen: Die Unschuld war flöten gegangen und Vorsicht nahm verantwortungsbewusst ihren Platz ein. Ich konnte mich nicht mehr einlassen, - ich glaubte nicht mehr an meinen Frauen flachlegenden Exotenbonus. Ich hatte verinnerlicht, eine Gefahr für jede Frau zu sein, die mich näher kennen lernt.
"Grunz!" Was sollte ich ihr denn sonst erzählen? Ich liebte sie und deswegen musste sie auf Abstand gehalten werden. Und als ich wieder normal dachte, war Sarah (Pseudonym) nicht mehr interessiert.
Ob von dieser ganzen Angelegenheit wenigstens mein Charakter profitierte, vermag ich nicht zu beurteilen. Soll ja angeblich so sein, dass man an Schicksalsschlägen wächst.
Als ob ich ErwachsenSein als erstrebenswerten Zustand anpeilen würde.
Danke für Eure positiven Kommentare. Ernsthafte Tagebucheintragungen sind eigentlich nicht so mein Ding.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Ob dein Charakter profitierte, kann auch ich nicht beurteilen, Karlchen. Dass deine Leser profitieren von deiner einzigartigen Art, Erlebtes in Worte zu fassen, steht außer Frage.
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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