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RE: Warum ich? Warum nur immer ich?

#1 von Karl Ludwig , 22.07.2018 09:19

Der Italiener hier im Ort kann Rindersteaks zubereiten. Im Prinzip ist das ja auch nicht so besonders schwer. Zum 68'sten Geburtstag wollte ich mir dieses kulinarische Extra mit Steinpilzen gönnen.

Ich hatte kaum Platz genommen, als sich ein jovial wirkender Herr mit dazu setzt, obwohl noch etliche andere Tische frei waren. Auch mein skeptisches Hochziehen der Augenbrauen konnte ihn nicht zu Platzwechsel motivieren. Oh bitte, jetzt kein Gelaber. Ich will genießen.

Dann kam mein Essen. Mein Gegenüber aber griff sich wie selbstverständlich meinen Teller und fing mit offensichtlichem Genuss an, mein Geburtstagsteak zu verspeisen. Mit Steinpilzen.

Eine Minute lang herrschte Schweigen, nur von Kaugeräuschen unterbrochen. Dann raffte ich meinen Mut und meine Würde zusammen.

„Was tun sie da?“

„Das sehen sie doch.“ lautete die Antwort. „Ich esse und möchte dabei nicht gestört werden.“

„A-a-ber, Sie können doch nicht einfach mein Essen …“

„Wieso denn nicht?“, fragte der Mann.

„Vielleicht sollten sie sich selber etwas bestellen.“

„Zu teuer. Aber gut. Kann ich bedenkenlos empfehlen.“

Als mir klar wurde, dass dieser Herr keineswegs die Absicht hat, mir etwas übrig zu lassen, griff ich beherzt über den Tisch und versuchte den halbleeren Teller auf meine Seite zu ziehen. Das kam aber gar nicht gut an.

„Lassen sie mich gefälligst in Ruhe das Essen verzehren.“ Einige Gäste fingen an zu tuscheln.

„Nicht dieses. Jedenfalls nicht alles.“

„Warum denn nicht?“

„Nun, ich kenne sie doch gar nicht!“

„Hans Nalleweia. Angenehm. Würden sie mir bitte den Pfeffer reichen? Und hören sie auf so aufgeregt zu tun. Ist schlecht für die Verdauung.“

„Welche Verdauung denn. Da ist nichts zu verdauen, weil es gerade von ihnen weggegessen wird.“

„Sie langweilen mich. Ober! Einen Espresso und eine Doppelportion Tiramisu.“

„Den Nachtisch zahlen sie aber selber!“ Empörtes Schnauben von den Gästen, welche inzwischen aufgestanden waren und den Tisch umringten. „So ein Knauserer. Sie schlechter Mensch sie!“

Mein Hunger machte mich mutig: „Ich kann doch nicht jedem erlauben, mir mein Essen weg zu essen.“

„Jedem? Wieso jedem?“ Die Menge geriet in Erregung und drohte sich in Richtung Auflauf mit zunehmender Gewaltbereitschaft zu entwickeln. „Außer Herrn Nalleweia hatte sich doch niemand getraut sich an diesen Tisch zu setzen, so unfreundlich wie sie sind.“

Inzwischen hatte Hansi, so wie ich ihn inzwischen fast liebevoll nenne, seinen Kaffee ausgetrunken, wischte sich etwas Mascarpone aus den Mundwinkeln, stand auf und bahnte sich einen Weg durch die Massen. „Vergessen sie nicht das Trinkgeld. Und wenn sie mal wieder essen gehen, lesen sie doch vorher einfach den Knigge, Kapitel Tischmanieren und lockere Gespräche. Ich jedenfalls befand mich bei ihnen in verdammt schlechter Gesellschaft.“, und verschwand, während der Kellner mich ausplünderte.


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RE: Warum ich? Warum nur immer ich?

#2 von Jonny , 22.07.2018 11:34

Italienern ist nie zu trauen...
Wahrscheinlich ist das eine neue Masche Schwarzgeld anzuschaffen.
Alleinstehende Gäste sind die Zielgruppen diese mafiösen Gemeinschaft.
Welche gegen einen festen Monatsbeitrag sich ihre Mitglieder satt essen lassen.
Von anderen Tellern natürlich.
Die umstehenden Gäste gehören dem Club an, die sitzen den ganzen Tag da und warten auf Opfer.
Sei froh, dass du da noch lebend herausgekommen bist.

Lustig und einfallsreich wieder, Karle!
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RE: Warum ich? Warum nur immer ich?

#3 von Sirius , 23.07.2018 21:24

Ich hätte wahrscheinlich in dieser Situation meinen Hang zum Terroristen nachgegeben.
Aber ich erlebte vor meinem geistigen Auge deinen Text als Loriot-Verfilmung eines Sketches, in dem der Betrogene auch noch der Schuldige sein darf. Also wie im täglichen Leben.
Natürlich ist dir das nicht wirklich passiert, das widerspräche allem, was wir über Karl-Ludwig gelernt haben, aber die Satire als solche ist klasse!

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RE: Warum ich? Warum nur immer ich?

#4 von Karl Ludwig , 24.07.2018 05:54

Inspiriert hatte mich Kishon. Da ging es aber um jemanden, dessen Hemd zum Brille putzen missbraucht wurde.


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