Polizeigewalt: Nicht immer verhältnismäßig
Wenn Polizisten ausrasten, folgt häufig: nichts. Verfahren gegen sie werden überdurchschnittlich oft eingestellt. Eine Opferbefragung soll nun das Dunkelfeld aufhellen.
Es ist der frühe Neujahrsmorgen 2013, als ein Mann im bayerischen Wasserburg aus einem Lokal tritt und auf der Straße einen Polizisten anspricht. Der Beamte hatte gerade einen Jugendlichen kontrolliert, der Mann fragt ihn, ob die Polizei nicht wenigstens an Silvester den Jugendlichen in Ruhe lassen könne. Kurz darauf hat er eine Platzwunde an der Stirn, ein blaues Auge und Fesselspuren an den Handgelenken. So stellt es das Amtsgericht Rosenheim später in seinem Urteil dar.
Der Amtsrichter sah es als erwiesen an, dass der angesprochene Polizist aus dem Streifenwagen ausgestiegen war und ohne Grund den Arm des Mannes gepackt und ihn gegen das Auto gedrückt hatte. Im anschließenden Gerangel habe der Polizist den Kopf des Mannes gegen das Dach des Polizeiwagens geschlagen und ihn dann im Auto mit Faustschlägen ins Gesicht traktiert. "Du kleines Stück Scheiße" habe der Beamte gesagt. Das Gericht verurteilte den Polizisten wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher und einfacher Körperverletzung im Amt und Beleidigung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung. Der Polizist legte Berufung ein.
Dieser Fall ist eine Ausnahme. Nicht nur weil er besonders brutal ist, sondern weil er überhaupt vor Gericht landete – anders als viele andere Fälle von rechtswidriger Polizeigewalt. Nur in drei Prozent der Fälle wird gegen Polizistinnen und Polizisten, gegen die die Staatsanwaltschaften wegen Körperverletzung im Dienst ermitteln, auch Anklage erhoben. Zum Vergleich: Im Durchschnitt aller Straftaten wird in etwa zwanzig Prozent der Ermittlungen Anklage erhoben. Kriminologen und Polizeiforscherinnen gehen außerdem davon aus, dass sehr viele Fälle gar nicht erst angezeigt werden.
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