Was ein altes Haus zu erzählen hat
„Gott wohnt im Wedding“: Schriftstellerin Regina Scheer erzählt souverän von Menschen in einer Berliner Straße.
Die guten Geschichten mögen nicht wirklich auf der Straße liegen, wie es sich Schreibanfänger öfter anhören müssen. Aber sie können in Häusern stecken. Regina Scheer weiß das sehr gut. Ihr Roman „Gott wohnt im Wedding“ hat zeitweise sogar ein Haus in der Erzählerrolle. Ein Berliner Mietshaus in der Utrechter Straße im Wedding beginnt von seinen Bewohnern zu sprechen, noch bevor die Handlung einsetzt. „Ich bin das älteste Haus der Straße.“
Es kommt in mehreren Zwischenkapiteln zu Wort. Mal, um von seiner Entstehung vor mehr als 120 Jahren zu berichten, die wechselnden Besitzverhältnisse darzustellen, dann auch, um Ereignisse zu schildern, bei denen mehrere Figuren des Romans beteiligt sind. Es ist ein Trick der Autorin, um die Perspektive zu wechseln, um von außen oder von oben zu schauen.
Sonst aber geht der Blick von einzelnen Menschen aus. Zum Beispiel von Leo Lehmann, der mit seiner Tochter Nira aus Israel gekommen ist. Dass die allerdings ein Hotel um die Ecke des Hauses aussucht, das schicksalhaft mit seinem Überleben verbunden war, das konnte er nicht ahnen. Als Jude musste er untertauchen, kaum dass er erwachsen war. Eine andere Figur, Laila Fidler, will eigentlich das Haus verlassen, merkt aber, dass sie für mehrere ihrer Nachbarn der Verbindungsdraht zum bürokratischen Gerüst der Stadt ist. Sie ist in Polen geboren, in Hamburg und Berlin aufgewachsen. Da Laila eine Sintiza ist, versteht sie die Sprache der aus Rumänien gekommenen Roma im Haus und begleitet sie zu Ämtern und Ärzten. Ein kroatischer Geschäftemacher vermietet ihnen für viel Geld wenig Platz.
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