Der vergessliche Riese
David Wagner gehört zu den renommierten deutschen Autoren – oft schreibt er „in eigener Sache“. Nun berichtet er in „Der vergessliche Riese“ von seinem Vater, der an Demenz erkrankt ist.
Zum Glück, so der Schriftsteller David Wagner vor nicht allzu langer Zeit auf eine einschlägige Feuilletonfrage, habe er sich bisher beim Schreiben seiner Bücher selten etwas ausdenken müssen, „mein eigenes, eigentlich langweiliges Leben war immer aufregend genug“. Lässt man die Bücher dieses Autors seit seinem Debüt „Meine nachtblaue Hose“ (2000) Revue passieren, gibt es keinerlei Anlass, ihm in dieser Hinsicht nicht zu glauben. Das – sein – Leben als Kind der alten Bundesrepublik ist das unerschöpfliche Thema des heute 48-Jährigen, da macht sein jüngster Streich „Der vergessliche Riese“ keine Ausnahme. Und doch: Bei Licht und gerade im Licht dieser Lektüre besehen, stimmt einiges an diesen scheinbar so klaren Sätzen vom Sich-nichts-ausdenken-Müssen nur unter Vorbehalt. Wer sich jedenfalls einiges ausdenkt in diesem Buch, das ist der Vater des Erzählers. Er kann nicht anders, denn er ist der „vergessliche Riese“ des Titels, weltläufig, charmant und erfolgreich, ein Riese die längste Zeit in den Augen des Sohnes, jetzt aber von zunehmender Altersdemenz gezeichnet, die ihm nach und nach seine Erinnerungen raubt.
Über vier Jahre schildert David Wagner die sporadischen Begegnungen zweier Männer, die sich die zwei Jahrzehnte davor praktisch nicht gesehen hatten. Beim ersten Besuch des Sohnes ist der Vater 71 und wohnt nach dem Tod seiner zweiten Frau, betreut von einer polnischen Pflegekraft, noch im eigenen Haus nahe Bonn, seinem nachtstromspeicherbeheizten Wohlstandstraum im Weichbild der ehemaligen Machtsphäre mit Panoramafenster, Kaminofen, Wagner-Opern in der Stereoanlage und Blick auf Apfelplantagen.
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