So haben wir den Bundestag ausgerechnet
Die SZ hat mit einem Algorithmus alle Reden im Parlament analysiert - und kann so den großen politischen Debatten unserer Zeit auf die Spur kommen. Eine Recherche im Maschinenraum der Sprache.
Von Martina Schories
70 Jahre, mehr als 4200 Sitzungen, 213 Millionen Wörter - seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wird im Bundestag jede Rede, jeder Kommentar, jeder Zuruf protokolliert. Jedes einzelne Wort, das Abgeordnete im Plenarsaal sprechen, wird festgehalten. Eine gewaltige Menge von Texten, ein Datenschatz, der die jüngere Geschichte Deutschlands, einschneidende Entwicklungen, große politische Konflikte und Baustellen konserviert - all das, was die Republik bewegt.
Die Protokolle geben einen Einblick, wie der Bundestag über bestimmte Themen im Laufe der Zeit gesprochen hat, wie die Abgeordneten diskutiert haben, wie sich politische Debatten verändert haben. Sie können auch dabei helfen, Fragen zu klären, die in aktuellen gesellschaftlichen Debatten eine Rolle spielen, zum Beispiel ob die AfD die Grenzen des Sagbaren in Richtung Rechts verschoben hat oder ob die Klimakrise viel zu lange keine Rolle in der Politik spielte.
Eine Analyse auf Basis von Millionen Wörtern ist jedoch nur möglich mit Hilfe komplexer Algorithmen und automatisierter Rechenprozesse. Um die Bundestagsprotokolle von 1949 bis 2019 zu durchdringen, hat die SZ deshalb computerlinguistische Verfahren angewendet. Ein Algorithmus hat dabei Millionen von Wörter in Zahlen übersetzt und so etwa 455 Millionen Datenpunkte geliefert, die datenjournalistisch ausgewertet werden konnten.
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