Die Welt atmet auf. Umwelt-Zungen haben begonnen zu sprechen. Krächzend erst, dann lauter und lauter. Drängend. Jetzt ist es still. Ich lehne mich zurück und schließe meine Augen. Lausche meinem Atem, versuche ihm zu folgen, verliere ihn mitten auf dem Weg. Warum kann ich nicht bleiben?
Leichen – Last – Wagen tauchen auf aus dem Nichts. Sie transportieren die Toten in Tempo 30 durch die Straßen Oberitaliens. Ich reiße die Augen auf, stelle die Wimpern hoch, halte die Stille nicht aus. Die Stille der Toten, ich habe beides nicht bestellt, weder die Stille noch die Toten. Sie verselbstständigen sich, die leeren Gesichter, ihre starren Blicke, die kalten Körper säumen die Straßen, verwandeln sich in Trecks mit Geflüchteten, die sich aneinanderklammern, vor dem Fallen schützen. Die Halbschwachen werden zu Starken und wer nicht mehr kann, bleibt liegen. Weiter geht’s, die Gefahr lauert hinter uns, wir können nicht warten, weiter geht’s, weiter…
Die Welt atmet auf. Ich lehne mich zurück und wage es erneut. Doch der Preis für die Stille ist der Lärm. In mir. Posaunen schreien, schräg der Klang einer Trompete, die zu retten hilft, selbst die zarte Harfe haut daneben. Ich gebe auf, suche einen Gegen-Satz, hektisch scharre ich in der Sandkuhle meiner Erinnerungen, aber der Satz hält sich bedeckt. Sch… am Hosenbein lungert ein Hund, geflohen aus dem verfallenen grünen Haus am Ende der Straße, am Hosenbein hungert ein Hund. Ich kann ihm nicht helfen, die Geschäfte haben geschlossen. Es ist still. Die Welt atmet auf. Ich kann es nicht fassen.
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Liebe Ann, Du kannst nicht nur wunderschön Verdichtetes, Du kannst auch Prosa! Das sind Brueghelsche und Bosch'se Albtraumbilder, kunstvoll und gekonnt, da steckt eine volle Seele dahinter.
Die Welt atmet auf.
1. Weil der Mensch sich zurückzieht, inne hält. All das einschränken muss, was zulasten der Welt geht.
2. Es könnte auch eine Vision sein für die Zeit, die unweigerlich kommen wird: Die westliche WERTEGEMEINSCHAFT atmet auf, weil das Schlimmste überstanden ist, während außerhalb unseres (jetzt WIE KANN DAS BLOSS SEIN? bedrohten) Kokons der Virus weiter wüten wird: In Afrika, in Syrien, wo gestern im Rebellengebiet der erste Infizierte gemeldet wurde. Dann atmen WIR auf und bauen eine noch höhere Mauer.
Zitat von Frollein a. im Beitrag #1- das ist eklatant brutal und gut.
am Hosenbein hungert ein Hund
Zitat von Frollein a. im Beitrag #1
Es ist still. Die Welt atmet auf. Ich kann es nicht fassen.
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Lieber Jörn,
vielen Dank für diese wertvolle Rückmeldung die mich erneut berührt!
Liebe Grüße
ann
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