Xaver Bayers "Geschichten": Ein Teufel namens Marianne
In den neuen Prosastücken des Wiener Autors kippt die schmerzberuhigte Alltagswelt unversehens in ein totalitär anmutendes Chaos
Wer immer sich hinter dem ehrwürdig überlieferten Frauennamen "Marianne" tatsächlich verbirgt: Mit der Person gleichen Namens, die in Xaver Bayers neuem Erzählband ein äußerlich eher unauffälliges Dasein fristet, ist nicht gut Kirschen essen. Auch wenn sie sich z.B. auf die ungemein nützliche Kunst des Marmelade-Einkochens versteht.
In 20 Variationen ein- und desselben Themas verrückt Bayer, dieser versierte Flaneur unter den heimischen Prosaathleten, die geläufigen Parameter der Wahrnehmung. Zu Anfang begegnen wir zumeist Proben einer trauten, allenfalls durch Gewohnheit erodierten Zweisamkeit. Der Ich-Erzähler, diese wohlvertraute Charaktermaske aus zahlreichen Xaver-Bayer-Büchern, schlüpft durch den Alltag eines Mittelstandes, der sich aller misslichen Daseinssorgen überhoben wähnen darf.
"Ich" ist das wohlvertraute Muster an Berechenbarkeit, das beim Kochen an der Herdzeile gerne die erste Flasche öffnet; das auf der Festplatte hübsche Zitate von Leonard Cohen oder Jules Verne parat hält, nur für den Fall, das man mit der Herzallerliebsten die Klingen der Gelehrsamkeit kreuzen möchte. Auch das gehört nämlich zu den Pflichten von uns mittleren Entscheidungsträgern in den angeblich schmerzberuhigten Zonen: tapferes Sublimieren, wobei die Nutzlosigkeit der Bildung dabei hilft, das Gebot der eigenen Nützlichkeit wenigstens für kurz in Vergessenheit geraten zu lassen.
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https://www.derstandard.at/story/2000116...namens-marianne
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