Annette Pehnt: „Alles was Sie sehen ist neu“ – Was dann das Glück ist
Annettes Pehnts Roman „Alles was Sie sehen ist neu“ irritiert zuerst mit der fehlenden Zeichensetzung im Titel (was mag der Grund dafür sein?). Dann treten aber ganz andere Sonderbarkeiten auf. Eine Geschichte, die sich um Erwartungen dreht, berechtigte, unberechtigte, individuelle, stereotype, positive, negative, übergeht diese Erwartungen nun selbst rigoros. Sie konterkariert sie nicht bloß durch Überraschungseffekte, sondern zerschmettert sie mit sanften Schwenks, die einiges riskieren. Lieber lässt die Schriftstellerin unsereinen irgendwo stehen, als Erwartungen zu erfüllen. Dabei zeigt sich: Erwartungen sind beharrlich, aber fragil.
Offensichtlich eignet sich ein Reisegruppenerlebnis zu Demonstrationszwecken ganz besonders. Der Blick auf das ferne Land ist vorgeprägt – je nach Typus der reisenden Person durch Erfahrung, Lektüre, Gefühlsangelegenheiten oder schiere Vorurteile –, ebenso wie der Blick auf die Mitreisenden. Und auch die Leserin sowie der Leser werden sich im ersten Kapitel, „Die Gruppe. 2019“, gut zurechtfinden, sich einrichten wie die Ich-Erzählerin, die mit ihrem alten Vater unterwegs ist. Einmal im Jahr verreisen die beiden gemeinsam, ein durchaus berührendes Ritual nach dem Tod der Mutter, und, ja, natürlich erwartet man, mehr darüber zu erfahren. Die Erzählerin scheint doch bei aller Zurückgezogenheit eine interessante Frau zu sein (und ärgert sich angesichts einer mürrischen jungen Mitreisenden über ihren „eigenen Gehorsam“). Dazu die üblichen Verdächtigen: Die, die meckern, und die Stillen, die Engagierten und die Superfotografen. Deutsche im Ausland, reich genug, mit einer kleinen Gruppe nach Khirtan zu fahren.
Indem von hier, wie der Reiseführer erklärt, das Papier, der Sprengstoff, der Asphalt und die Süßwasserperle stammen, lässt sich im fiktiven Reiseziel China leicht erkennen. Die Verschleierung, die im Detail etwa bei Namensgebungen („Platz ohne Namen“) fortgesetzt wird, mag der weiteren Irritation dienen. Sie ermöglicht aber vor allem eine Abstraktion, einer Abkühlung und eine Art Verallgemeinerung, die dem Fortgang gut anstehen.
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