Arme Gesellschaft
Vor genau zehn Jahren führte der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eine öffentliche Anhörung zum Thema Armut im Alter durch. Der Vertreter der Deutschen Rentenversicherung suchte alarmierende Prognosen mit der Feststellung zu beruhigen, Altersarmut sei kein akutes Problem, da weniger als drei Prozent der über 65-Jährigen Grundsicherung im Alter bezögen. Heute erscheint die Lage bedrohlicher – und in naher Zukunft wird sie sich zuspitzen. Georg Rammer
Die Bildzeitung brachte am 4. August die Schlagzeile: „Jedem Dritten droht Rente auf Hartz-IV-Niveau“. Sie stützt sich bei der Meldung auf eine parlamentarische Anfrage der AfD. Offensichtlich haben sich hier zwei Helfershelfer des Neoliberalismus zusammengetan, um mit Ängsten der Menschen Geländegewinne zu erzielen – mit Ängsten, die durch neoliberale Politik erzeugt wurden. Die Fakten allerdings sind in der Tat alarmierend: Über zehn Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 1991 Euro brutto im Monat. Damit können sie später mit ihrer Rente nicht über die gesetzliche Grundsicherung kommen. Das bedeutet: Bald ist rund ein Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter arm. Frauen sind fast doppelt so oft betroffen wie Männer.
Für die Betroffenen ist das eine menschliche Tragödie, für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft eine Katastrophe. Natürlich war diese Entwicklung lange abzusehen; unzählige parlamentarische Anfragen und Anträge der Opposition – besonders der Linkspartei, über die die Bildzeitung wohl nicht berichtet hat – ließen den massiven Anstieg der Altersarmut klar erkennen. Heuchlerisch ist also die Überraschung der verantwortlichen PolitikerInnen: Die Regierungskoalitionen der letzten 20 Jahre haben diese Lage durch Niedriglöhne, Werkverträge, Teilzeitarbeit, Minijobs, also durch das ganze Instrumentarium der Prekarität, bewusst und gezielt erzeugt und gefördert.
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