CHRISTOPH NUSSBAUMEDE
Lügengebäude, solide gezimmert
Der Dramatiker Christoph Nußbaumeder legt mit „Die Unverhofften“ sein Romandebüt vor und erweist sich als lustvoller Erzähler.
Christoph Nußbaumeder ist ein erfahrener Autor von Dramen. Seit 15 Jahren schreibt der Niederbayer Stücke, die unter anderem für ihre knappe und dichte Sprache und für ihre kernige Substanz gelobt werden. Vor zehn Jahren versuchte er sich dann an einer Familiensaga. „Eisenstein“ heißt das Stück nach einem Ort im Bayrischen Wald und wurde in Bochum uraufgeführt, die Kritik war durchwachsen: Der Bogen halte nicht, was mit antiker Wucht anhebe, verläppere zunehmend, die Figuren begännen zu räsonieren, überhaupt diese Weitschweifigkeit mit den vielen Orts- und Zeitsprüngen ... Die als zu brav kritisierte Inszenierung hat dreieinhalb Stunden gedauert.
Dabei ist nichts falsch an dem Stoff. Es geht um die Magd Erna, die nach dem Krieg fliehen muss, unterwegs von einem kommunistischen KZ-Häftling geschwängert wird und das Kind dem verheirateten Sägewerksbesitzer Josef unterjubelt. Erna soll erzählen, dass das Kind von ihrem im Krieg gestorbenen Verlobten stamme. Um seinen illegitimen Sohn in seiner Nähe und unter seinem Schutz aufwachsen zu lassen, verkuppelt Josef Erna mit seinem Bruder. Georg heißt der Sohn und entwickelt sich prachtvoll, kein Wunder, dass Josefs Tochter Gerlinde sich in ihn verliebt. Josef, der glaubt, Georg sei sein Sohn und diese Liebe also inzestuös, wirft sich dazwischen. Wir sind da schon ganz dicht am Happyend, denn es muss ja nur eine Lüge aus der Welt geschafft werden, um diese Liebe möglich zu machen. Aber, ach, es folgen neue Lügen, zwischen denen das Leben sich seine Bahnen bricht und vergeht. Und die Alten nehmen ihre Stücke der Wahrheit mit in die Gräber.
Was den Rahmen einer Theaterinszenierung gesprengt hat, bringt Nußbaumeder nun als ein 671-seitiges Buch heraus, es ist das Romandebüt des 42-Jährigen: „Die Unverhofften“. Man merkt dem Schreibenden das Schwelgen in den Freiheiten der neuen Form an, zugleich stehen ihm die Mittel seiner Schreiberfahrung zur Verfügung, hantiert er mit dramaturgischer Routine und Disziplin. Es ist ein wirklich fesselndes Buch geworden, das bis in die Gegenwart reicht und sogar noch eine Generation früher einsetzt als das Stück, nämlich im Jahr 1899, mit einer niederbrennenden Glasbläserei in Eisenstein. Maria hat den Brand gelegt, eine Magd, die sich für eine Vergewaltigung durch den Glasfabrikbesitzer Siegmund Hufnagel an ganz Eisenstein, das diese Tat beschweigt, rächt und verschwindet.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/die-u...t-90104346.html
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