Was wusste der Verfassungsschutz?
In einem Geheimdossier hat Hessens Verfassungsschutz Erkenntnisse zum NSU und anderen Rechtsterroristen festgehalten. Wir konnten es auswerten – der Inhalt erschüttert.
In Wiesbaden wird die Beamtin Iris Pilling an einem Sonntag in ihre Dienststelle gerufen. Es ist der 13. November 2011. Der Aufruhr in den Sicherheitsbehörden ist groß, auch im hessischen Landesamt für Verfassungsschutz. Pilling ist dort damals Abteilungsleiterin Linksextremismus/Rechtsextremismus. Am Freitag eine Woche zuvor hatte die Polizei in Eisenach zwei tote Bankräuber in einem Wohnmobil gefunden: Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die Rechtsterroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), wie wenig später klar wird. Sie sind verantwortlich für zehn Morde, Sprengstoffanschläge, Überfälle.
Die Taten konnten sie jahrelang unbehelligt begehen, seit sie mit Beate Zschäpe abgetaucht waren. Ermittler suchten die Mörder im "Türkenmilieu" statt in der Neonaziszene. Nicht nur die Polizei, auch die öffentlichkeitsscheuen Inlandsgeheimdienste und ihre abgeschottete Arbeitsweise stehen deshalb bald im grellen Licht der medialen Aufmerksamkeit. Was wussten sie über die Nazis, die zuletzt im sächsischen Zwickau wohnten, aber auch in Hessen gemordet hatten?
In Wiesbaden nimmt Pilling an jenem Sonntag im November 2011 eine "grobe Sichtung" der Akten vor. Man ist auf der Suche, "ob es denn Bezüge geben könnte". So beschreibt sie es Jahre später als Zeugin vor dem hessischen NSU-Untersuchungsausschuss.
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