Nora Bossong: „Die Geschmeidigen“
Nora Bossong hat sich auf die Suche nach ihrer Generation der heute 40-Jährigen gemacht und „Die Geschmeidigen“ gefunden.
Stell Dir vor, es ist Krieg, zitiert Nora Bossong in ihrem Porträt der zwischen 1975 und 1985 Geborenen den berühmten Slogan aus der Zeit der Friedensbewegung: „und keiner geht hin“. Ihre Pointe aber ist bitter: „Weil wir gar nicht mehr hingehen müssen, sondern der Krieg zu uns kommt.“
Geschrieben war der Satz einige Wochen vor dem fatalen 24. Februar 2022, an dem russische Truppen das Nachbarland Ukraine überfielen. Für Nora Bossong diente diese nun als düstere Ahnung daherkommende Formulierung als Eröffnung eines Kapitels, in dem sie die Kampfflugzeugpilotin Nicola Winter zu Wort kommen lässt. Bei der Wiederbewaffnung Deutschlands sei nach dem Krieg aus gutem Grund auf das Primat des Zivilen vor dem Militärischen gesetzt worden, sagt Winter. „Aber das funktioniert in der Welt von heute so nicht mehr.“ Den Krieg in Syrien, glaubt sie, hätte die Nato innerhalb weniger Tage entscheiden und beenden können. Aber da spielten bereits geopolitische und strategische Überlegungen hinein. Heute weiß man, dass der Syrien-Krieg bloß ein böses Vorspiel zu Putins Großmachtfantasien war.
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Nora Bossong hat kein Buch über die Rückkehr des Krieges in die Welt nach dem Ende der Geschichte geschrieben, das Francis Fukuyama einst mit optimistischem Überschwang ausgerufen hatte. Vielmehr geht es ihr um eine gesellschaftspolitische Charakterisierung der heute 40-Jährigen, die nun die politische Bühne betreten, Führungsrollen in der Wirtschaft übernehmen und kulturell prägend wirken. Christian Lindner, Lars Klingbeil und Omid Nouripour treten als Kronzeugen auf, noch ehe sie in staatstragende Ämter und Parteiführungen gewählt wurden. Aber sie spielen nicht die Hauptrolle in Bossongs Erkundungen, die zugleich eine Suche nach den Koordinaten sind, zwischen denen die Gestaltung der demokratischen Gesellschaft der nahen Zukunft verläuft.
Es ist unter dem Titel „Die Geschmeidigen“ ein Sittenbild der Gleichaltrigen, und das Muster ist bekannt. Der journalistische Blick auf Jahrgangskohorten verlief in den vergangenen Jahrzehnten nach einem unterhaltsamen Prinzip der Selbstbefragung, das jeder kennt, der nach Jahrzehnten seiner Abiturklasse wiederbegegnet: Was ist aus mir, aus uns geworden? Die Generationen Golf, X, Y, Z oder auch die Generation Praktikum dienten dabei als Referenzgruppen, zwischen denen man sich aus ironischer Distanz und lieber nicht allzu soziologisch zwischen Ich- und Wir-Perspektive hin und her bewegte.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/nora-...e-91417345.html
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