Brigitte Reimann: „Die Denunziantin“
Brigitte Reimann erzählt in ihrem frühen Roman „Die Denunziantin“ zutiefst lebhaft vom Jungsein in der DDR.
Eva und Klaus benehmen sich zu Hause „sehr brav und tugendhaft“, wie sich das für junge Leute in der Kleinstadt gehört. Woanders holen sie Versäumtes nach. „Am schönsten war es in dieser Beziehung in Berlin“, schreibt Brigitte Reimann. „Man hätte sich hier in der S-Bahn direkt beinahe einen Kuss geben können, denn die Lampen an der Decke wurden manchmal ganz trübe, und die wenigen Leute, die auf den hellen Bänken saßen, pennten auch halb, weil es schon so spät in der Nacht war.“ Und als später, nach dem Ausflug in die „Weltstadt, die in diesen Jahren wieder das wurde, was sie früher gewesen war“, ein Mitschüler Eva nach der Reise fragt, antwortet sie ihm kühl. „Sie konnte den schleimigen Burschen nicht ausstehen, der in schmutzigster Weise jedem Mädchen nachstellte und dann, wenn er, was gewöhnlich der Fall war, abgeblitzt wurde, von diesem Mädchen eine entsprechend verbrämte gemeine Geschichte erzählte, die er irgendwie herausgeschnüffelt hatte – wandelnde chronique scandaleuse der Schule.“
So lebhaft klingt es im Roman „Die Denunziantin“ von Brigitte Reimann. Das Buch fehlte bisher in den Bibliotheken, in den Regalen der unzähligen Leserinnen und Leser, die die 1973 gestorbene Autorin bis heute für ihre Tagebücher und für „Franziska Linkerhand“ verehren. Das im kurzen Leben der Brigitte Reimann entstandene Werk schien bis in alle Ecken ausgeleuchtet. Aus dem Nachlass sind mehrere Briefwechsel veröffentlicht worden. Und das 2003 erschienene Buch „Das Mädchen auf der Lotosblume“ enthielt laut Untertitel gar „zwei unvollendete Romane“. Im Nachwort erklärte Withold Bonner damals, bei dem einen Text, der mit der Überschrift zum 7. Kapitel abbrach, handele es sich um die vierte Fassung eines Manuskripts namens „Die Denunziantin“. Er ging davon aus, dass vom Beginn der Arbeit nur die ersten beiden Kapitel erhalten seien.
Die komplette Urfassung in neun Kapiteln samt einem „Ausklang“ aber gibt jetzt Kristina Stella heraus. Sollte es eine Steigerungsform des Adjektivs „unveröffentlicht“ geben, hier wäre sie angebracht. Stella, die schon lange zu Reimann und deren zweitem Ehemann Siegfried Pitschmann forscht, fand das Typoskript im Brigitte-Reimann-Archiv des Literaturzentrums Neubrandenburg. Und es zeigt sich: Die Unterschiede sind gravierend. Sie betreffen Handlung, Figurenauswahl und die Erzählperspektive.
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https://www.fr.de/kultur/literatur/brigi...n-91886642.html
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