Laurent Petitmangin: Was es braucht in der Nacht
In Frankreich war Laurent Petitmangins Debütroman "Was es braucht in der Nacht" ein Überraschungserfolg und wurde mit zahlreichen Literaturpreisen bedacht. Nun liegt das Buch auch in deutscher Übersetzung vor.
"Ich habe vier Kinder und habe ziemlich viel von ihnen verlangt. Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass ich als Vater gemacht habe, was ich konnte", erzählt Laurent Petitmangin.
Als seine Kinder zu Hause auszogen, schrieb er den in seiner Heimat Lothringen angesiedelten Debütroman "Was es braucht in der Nacht". Auch der Ich-Erzähler, ein seit dem frühen Tod seiner Frau alleinerziehender Vater, glaubt, sich um seine beiden Söhne so gut wie möglich gekümmert zu haben. Der Vater arbeitet als Monteur bei der Bahn und hofft, dass seine Kinder es beruflich weiterbringen und leichter haben als er, etwa als Ingenieure. Aber dann radikalisiert sich der ältere, 24-jährige Sohn Frédéric, genannt Fus. Mit seinen neuen Freunden klebt er Plakate für den Front National. Fus nimmt rechtsextreme Ideen an. Der Vater, der ein ausgeprägtes soziales Gewissen hat und sich politisch links engagiert, ist vollkommen überfordert mit der neuen Situation, hat sogar mit Blick auf seinen Sohn Gewaltfantasien:
Und wieder wusste ich mir nicht anders zu helfen, als herumzubrüllen. Ich war irre wütend, es kam jedoch zu keiner Prügelei, ich war gelähmt, wie in einem Alptraum. Zwanzigmal sah ich Fus’ Kopf, seinen Hals, seinen großen, zitternden Adamsapfel vor mir, zwanzigmal wollte ich ihn packen, ich wusste, wohin ich meine Hände hätte legen, wie ich ihn mit einem kurzen Ruck so fest am T-Shirt hätte packen müssen, dass der Kragen riss [...].
Fus wird von Linken krankenhausreif geprügelt und rächt sich später dafür mit einem Mord. Da verstößt der Vater seinen Sohn emotional, vorübergehend.
Der Roman "Was es braucht in der Nacht", für den Holger Fock und Sabine Müller immer den richtigen Ton im Deutschen getroffen haben, ist auch deshalb so gelungen, weil es der Autor seinen Lesern nicht zu leicht macht und zum Nachdenken anregt: Wie konnte sich ein anfangs so rücksichtsvoller, freundlicher junger Mann derart radikalisieren? War er nur "zur falschen Zeit am falschen Ort", wie es im Roman heißt? Wie viel Schuld hat Fus? Und wie viel sein Vater? Wie würde man selbst reagieren, wenn der eigene Sohn rechtsextrem würde? Und wie der Autor?
"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", sagt Petitmangin. "Ich glaube, dass man seine Reaktion darauf nicht vorhersehen kann. Man muss solch eine Situation wohl erleben, um herauszufinden, ob man seinem Sohn dann mit Liebe begegnet oder ob man, wie der Vater im Roman, gehörig auf Abstand geht, jedenfalls für einige Monate."
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