Thomas Wörtche: Darwyne
Darwyne, zehn Jahre alt, wohnt mit seiner Mutter Yolanda in Bois-Sec, einem Slumviertel in Französisch-Guayana. Das Häuschen der beiden ist eine Bruchbude, in der die Mutter Mahlzeiten für den Straßenverkauf kocht, und unmittelbar dahinter beginnt der Amazonas - womit in diesem Fall nicht der Fluss gemeint ist, sondern ein mächtiges Regenwaldgebiet. Der Slum Bois-Sec vergrößert sich ständig und frisst sich in den Wald hinein, und umgekehrt frisst sich der Wald in das bebaute Gelände zurück. Yolandas wechselne Männer sind weitgehend damit ausgelastet, hinter dem Häuschen zu roden. Man kann gar nicht so schnell umhauen und ausreißen, wie es nachwächst. Für Yolanda ist das ein Ärgernis, für den kleinen Darwyne ein Faszinosum. Er nutzt jede Gelegenheit, im Wald zu verschwinden, Knochen zu sammeln, aus denen er kleine Pfeifen schnitzt, und Tiere zu beobachten. Und überhaupt ist der kleine Kerl nicht ganz normal: in der Schule taugt er zu nichts, er spricht kaum und bleibt für sich, und leicht behindert ist er obendrein mit seinen verdrehten Füßen.
Die Sozialarbeiterin Mathurine wird auf die Familie aufmerksam, als ein anonymer Hinweis auf Gewalt durch einen der wechselnden Stiefväter eingeht. Ihre Bemühungen um den Jungen sind zunächst erfolglos (wie überhaupt ihr ganzes Arbeitsleben einem Kampf gegen Windmühlen gleicht, wie eingehend erzählt wird). Der Kleine hat jedoch etwas an sich, was sie nicht loslässt, so dass sie sogar, nachdem sie den Fall bereits abgegeben hat, in ihrer Freizeit weitere Untersuchungen anstellt. Die Mutter ist allgemein hoch geachtet. Der aktuelle Stiefvater scheint auch in Ordnung zu sein. Und trotzdem ist, wie sich herausstellt, die Familie sehr ungewöhnlich.
Colin Niel, der eine Zeitlang in Französisch-Guayana gelebt hat, befasst sich in dem schmalen Roman mit einer unerwartet großen Fülle von Themen: Es geht um die Zustände in den Slumvierteln, um illegale Einwanderung (in diesem Fall aus Venezuela), um Arbeitslosigkeit und um die unterbesetzten, erschöpften Sozialbehörden, in denen nichts richtig erledigt werden kann, weil es einfach zu viel Arbeit für zu wenige Leute gibt.
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