Deutsche Zustände. Europäische Zustände
»Russlands Angriffskrieg in der Ukraine hat die Lage erschwert« – so kommentiert der Grüne Anton Hofreiter das grottenschlechte Ergebnis seiner Partei bei den Wahlen zum EU-Parlament. Manfred Weber, CSU, fordert die Unterstützung der demokratischen Mitte; Europa müsse aus der Mitte regiert werden. Nach diesen »Analysen« geht das Spitzenpersonal der Parteien an die Arbeit, beschließt weitere Aufrüstung, kungelt die Wiederwahl von der Leyens, sondiert eine mögliche Zusammenarbeit mit den rechtsextremen »Brüdern Italiens« aus, schließt Krankenhäuser und straft alle mit Überwachung, Verbot und Verfolgung, die sich der Staatsräson und den Maßnahmen der Machtelite widersetzen. »Wer rechtsextrem wählt, schwächt die Demokratie«, ruft der DGB. Richtig, aber umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Wer die Demokratie schwächt, stärkt Rechtsextreme.
Also, liebe Politikerinnen und Politiker, gestatten Sie uns, dem Volk, einige Fragen und Anmerkungen. Wir stimmen Ihnen ja zu, dass diese Rechtsentwicklung abscheulich und gefährlich ist. Allerdings wäre eine ehrliche Analyse der Ursachen des rechten Aufmarsches hilfreich. Er kommt nämlich nicht über uns wie ein Gewitter. Schon vor vielen Jahren gab es gründliche Untersuchungen zu seinen Hintergründen und Warnungen vor den Folgen. Erinnern Sie sich an die Langzeitstudie »Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit«, deren Ergebnisse von 2002 bis Ende 2011 in zehn Bänden unter dem Titel »Deutsche Zustände« veröffentlicht wurden? Über einen Zeitraum von eben zehn Jahren wurden Tausende von Menschen befragt und Studienleiter Wilhelm Heitmeyer fasste die wichtigsten Einsichten zusammen. Er konstatierte eine »Demokratieentleerung«, die mit Vertrauensverlust und einem Gefühl der Machtlosigkeit einhergeht: »Warnsignale, da die Anfälligkeit für rechtspopulistische Mobilisierungen auffällig ist.«
Schauen wir weiter auf die Ergebnisse von Umfragen, die ebenfalls schon Anfang der 2010er Jahre durchgeführt wurden. So deckte ein Report der Friedrich-Ebert-Stiftung 2011 eine tiefe Kluft auf zwischen dem Wesen der Demokratie und dem Ausmaß seiner Umsetzung. Soziale Gerechtigkeit gehört für 67 Prozent der Menschen dazu; dass sie verwirklicht sei, denken aber nur 12 Prozent. Ähnlich schief ist die Relation auch bei den Merkmalen »gleiche Lebenschancen«: 54 zu 9 Prozent. Und »Orientierung der Politik an den Wünschen der Bürger«: 53 zu 7 Prozent. Die Bürger müssen so informiert werden, dass sie sich beteiligen können, sagen 46 Prozent; umgesetzt sieht das aber nicht einmal jeder Zehnte. Je ärmer die Leute sind, desto häufiger beklagen sie, dass die Demokratie nicht funktioniert: 70 Prozent! Und sie haben Recht. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat keinen Einfluss auf politische Entscheidungen, belegen Untersuchungen.
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