Liedchen

In ihr Maushaus
lief die Hausmaus,
doch sie hielts nicht lang drin aus,
denn im Dreieck
lag viel Eckdreck,
und das war ein großer Graus.

In dem Wurmturm
ächzt ein Turmwurm,
und er ächzt so schauerlich,
weil der Fuchsluchs
mit dem Luchsfuchs
gestern ums Gemäuer strich.

In dem Zwergberg
sitzt ein Bergzwerg,
und er sehnt sich jedes Jahr
nach dem Strandsand
fern am Sandstrand,
wo er mal auf Urlaub war.

Und der Dachslachs
huscht zum Lachsdachs,
den er aus der Schule kennt,
und der Spechthecht
ruft zum Hechtspecht:
Endlich ist das Lied zu End!

Gerhard Rühm

Der Unverbesserliche

Man fragte mich: „Heißts fragte oder frug?“
Ich sagte drauf:“ Ich wähle immer fragte,
da man ja auch statt sagte nicht spräch sug,
was schlecht dem Ohr und Sprachgebrauch behagte.

Der andre sprach: „Ich werde draus nicht klug,
man sagt doch auch nicht schlagte oder tragte?“
Ich sprach: „Ausnahmen sind nur schlug und trug;
doch tug, zug, rug und wug noch keiner wagte.

Nun, wird der Zweifel, der bisher Sie nagte
und plagte – und nicht etwa gar nug und plug –
behoben sein, ob richtig frug, ob fragte?“

Der andre sprach: “Sie haben recht“, und schlug
sich an die Stirn, als ob ihm Licht nun tagte,
„verzeihen Sie, dass ich Sie töricht frug.“

Unbekannter Verfasser um 1900

Grabschrift für eine Jungfrau

Hier ruht die Jungfrau Emma Puck aus Hinterstallupeinen,
Eine Mutter hatte sie eine, einen Vater hatte sie keinen.
In Unschuld erwuchs sie auf dem Land wie eine Lilie.
Da kam sie in eine Stadt zu einer Rechnungsratfamilie.
Hier hat sich erst ihr wahres Herz gezeigt,
Indem sie gar nicht mehr zur Jungfrau hingeneigt.
Bald kam das erste Kind. Was half da alles Greinen!
Männer hatte sie viel, aber einen Mann hatte sie keinen.

Klabund

Von vorn wie von hinten

Kleine Palindromen-Parade

Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.
Lang ist ein Nietsiegnal.
Leg in eine so helle Hose nie n Igel!
Rettig grub Marie meir am Burggitter.
Ella rüffelte Detlef für alle.
Eine treue Familie bei Lima feuerte nei.
O renne bei den Papaierdieben, Nero!
Bei Liese so lieb.
Tates Sorgengrab barg ne grosse Tat.
Neuer Dienst mag Amtsneid reuen.
Ida war im Atlas, Abdul lud Basalt am Irawadi.
Regal mit Sirup pur ist im Lager.
Tat er alkoholfrei? Er floh. O klare Tat!
Nie fragt sie: „Ist gefegt?“ Sie ist gar fein.
Ein Lama, Mama, mal nie!
Emma, behend ne Hebamme!
Die liebe Tote! Beileid!

Unbekannt

Kreislauf

der einsame Backzahn einer Dirne,
die unbekannt verstorben war,
trug eine Goldplombe.
Die übrigens waren wie auf stille Verabredung
ausgegangen.
Den schlug der Leichendiener sich heraus,
versetzte ihn und ging dafür tanzen.
Denn, sagte er,
nur Erde soll zur Erde werden.

Gottfried Benn

Die Maßnahmen

Die Faulen werden geschlachtet
die Welt wird fleißig

Die Häßlichen werden geschlachtet
die Welt wird schön

Die Narren werden geschlachtet
die Welt wird weise

Die Kranken werden geschlachtet
die Welt wird gesund

Die Traurigen werden geschlachtet
die Welt wird lustig

Die Alten werden geschlachtet
die Welt wird jung

Die Feinde werden geschlachtet
die Welt wird freundlich

Die Bösen werden geschlachtet
die Welt wird gut

Erich Fried

Wann hört der Humor auf?

Erst, wenn der Lachs smolliert mit laxen Dachsen,
Wenn Affen gleich den Versifexen klecksen,
Gleich Bellachini die Eidechsen hexen
Und Frösche ob der Steuertaxen quacksen,-

Wenn Straußeneier wild in Sachsen wachsen,
Im Garten wuchern, gleich Gewächsen, Flexen,
Und Philologen gleich perplexen Fexen
Belächeln höhnisch der Syntaxen Faxen,-

Wenn Reiterstiefel zarte Nixen wichsen,
Wenn Englands Söhne sich mit Ochsen boxen
Und Storch' aus einem Krug mit Luchsen glucksen,-
Wenn grüßt der Elefant mit fixen Knixen,
Am Schabbestag die Orthodoxen ochsen ...
Dann wird kein Witz sich mehr mit Juxen mucksen!

F.W. Bernstein

Hörnermultiplikation

Wer ein Weib hat und nicht weiß,
Dass sie ihm tritt aus dem Gleis,
Solchem guten frommen Knecht
Ist bereits ein Horn gerecht.

Wer sich heimlich fast besorgt,
Dass sein Weib bei andern borgt;
Solchem argwöhnischen Mann
Ein paar Hörner stehn wohl an.

Wer es weiß und eifert nicht
Dass sein Weib die Treue bricht,
Solcher fromme gute Tropf
Hat drei Hörner auf dem Kopf.

Wer sie noch behält dazu,
Dass sie andern Dienste tu,
Solcher hat zu seiner Zier
Allbereits der Hörner vier.

Welcher aber sich verspricht,
Dass er deren Hörner nicht
Einiges habe, solcher hat
fünf an aller viere statt.

Johann Michael Müscherosch

Das Hungerlied

Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.

Und am Mittwoch mussten wir darben,
Und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod!

Drum lasst am Samstag backen
Das Brot, fein säuberlich;
Sonst werden wir sonntags packen
Und fressen, o König, dich!

Georg Weerth

Auf ein Ei geschrieben

Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät's gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,

Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.
Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?

Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat's der Has gebracht.

Christian Morgenstern (1871-1914)

Selbstgespräch per Post-it

Sitz ich daheim und denke: „So,
ich ruf mich selber an, gleich jetzt!“
- dann ist besetzt.

Und rufe ich von irgendwo
den Apparat zu Hause an
- geh ich nie ran.

Ich klingle oft an meiner Tür
und schau zu meinem Fenster rauf
- nie macht wer auf.

Ich spreche wohl nicht mehr mit mir.
Bin mir wohl fremd geworden. Doch
- ich schreib mir noch.

Michael Schönen

Papa-a?
Ja, mein Kind?

Wenn die Menschheit dann verreckt ist
und von Winden zugedeckt ist
und in Sand und Zeit versinkt;

wenn dann w i r k l i c h kluge Wesen
sie aus den Gesteinen lesen
und es ihnen gar gelingt,

dein Genom zu isolieren –
also ich tät mich genieren!

Häh?

Thomas Gsella

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Die sächsische Lorelei

ich weeß nich, was das zu bedeidn hadd,
dass ich heide so geknickt bin.
A Mährchn aus uhraldn Daachn,
das gehd mir fermlich wie ä Mielrad im Gobbe rum.

Den Fischt in seinen kleinen Gahne
ergreift ein wildes Weltweh.
Er sieht die Felsenriffe nich, er iss reeneweck doddj,
weilr eega zum Wassrgodd nuffguhkn muss.

Ich glauwe, de Bleiße verschlingd emende
den Schifft mitsamsd seinen kleinen Gahn.
Unn das hadd midd ihren goddverglisdn Gesinge
naddierlich de Lorelei bewärggschdällijd.

Hans Reimann

Die Loreley hat mich inspiriert.

Hans und Grete im Pott

Den Hans und dat Grete latschtn durchn Wald.
Se konntn nich kneistn und et waa rattnkalt.
Da stand en Kabüffken, dat waa gaanich aus Stein.
Wem kann den Kapachel am Aasch der Welt wohl sein?

Hu, hu, da glotzt sonne olle Schrulle raus.
Die lockt de Blagn innet Knuspahaus.
Dann fängtße am Grinsen, o Hans, du Idiot!
Die Alte will dir backn, bald bisße braun wien Brot.

Kaum lünkert die Olle innen Ofn rein,
is Panhas am Schwenkmast, sie fääat selba ein.
Da kann dat Frettchn braatn, die Blagn gehn na Haus.
Nu is dat Määachn von Hans und Grete aus.

scrabblix