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RE: Schon wieder schon wieder: Früher

#1 von Karl Ludwig , 14.06.2017 15:03

In jenen, mit der Zeit verflossenen Zeiten, soll es ja förmlich nur so vor Dingen gewimmelt haben, die wesentlich besser waren, bevor sie sich schamhaft eines Anderen besannen: Männer waren noch echte Männer und hatten Wichtigeres zu tun, als ausgerechnet Frauen verstehen zu wollen. Und die wiederum waren dekorativ, dankbar und werkelten fleißig in der Küche wo lt. Beziehungsratgeber auch Bett (Kishon) und Kühlschrank (Karl-Ludwig) stehen sollten. Die Kinder gehorchten aufs Wort und es schneite pünktlich zu Weihnachten. Die Nachrichten waren aus wattiertem Granit und wurden von nett lächelnden Tanten (ist doch alles gar nicht so schlimm) vorgetragen. Der Weihnachtsmann hatte einen Knecht und keine importierte, abartige Lache. Niemand trennte Müll, damit andere ihn wieder zusammenschütten und nach Indien exportieren konnten. Wir hatten höchstens einige Butterberge als monatelanges Thema in den Schlagzeilen, regten uns über Vogelfang in Italien auf und aßen echte Eier und kein Potpourri aus Fisch, Dioxin und Penizillin.

Ja-ja. Schon anno Tobak, das liegt übrigens in der Vergangenheit, wie jeder wissen sollte, der zu seiner Zeit in Geologie halbwegs aufgepasst hatte, früher also, war die Vergangenheit einfach besser gewesen, – so heißt es jedenfalls. Wenn man also nur lange genug in der Vergangenheit zurück und nach hinten schaut, müsste zwangsläufig die Richtigkeit gewisser Theorien, nachzulesen im A.T., und die Existenz vom einst real existierenden Paradies bestätigt werden, denn am Anfang kann es nur am Allerbesten gewesen sein – gelle?

Logischer Weise (deduk- oder induktiv, was weiß ich denn) wird die Zukunft deswegen immer schlimmer. Der Vergangenheit trägt dafür die Verantwortung.

Ach, das habt Ihr alle auch schon vor dieser Offenbarung gewusst? Und warum verratet Ihr mir das nicht etwas früher? Nun ist der Rest von diesem Beitrag meiner Frustration und dem westfälischen Betonschädel geschuldet, der es erbittert, nur um der Sache Willen, zu Ende bringen will:

'Nun!', dachte ich äußerst nachdrücklich. 'Es gibt aber Dinge, die nicht schlimmer werden.'

Einige, weil sie nicht noch schlimmer werden können, und einige, nur erschreckend wenige, weil sie einfach zu gut sind, als dass irgendwelche Leute, aus dubiosen Motiven heraus, an funktionierenden Dingen noch rum schrauben könnten. Ewige Werte sozusagen! Außerhalb vom Zeitgeist und der menschlichen Beschränktheit. Zuverlässig wahr, sozusagen sakral, – wie die Deutsche Bank und VW.

Erste Zweifel an dieser naiven Sicht überkamen mich, als die Negativzinsen populär wurden, doch diese Skepsis wischte ich wohlüberlegt instinktiv bei Seite: „Wer weiß, wofür es gut ist!“ Genau so ähnlich denke ich über implantierte Sender im Oberarm, mit denen man Türen öffnen und den Einkauf bezahlen kann, nur indem man lässig mit der Schulter vor einem dekodierenden Empfänger zuckt, der mit der Bank, dem BKA, und sämtlichen anderen interessierten Organisationen verbunden ist. Und der Fortschritt schreitet weiter fort. Das kann er gut, das macht er prima, und hinterher behauptet er dann so wie ich: Alles mit Absicht!

Zahnschmerzen und so, waren früher auch beeindruckender. Ohne Narkose aufgeschnitten zu werden muss auch toll gewesen sein, und das übermäßige Sterben im Wochenbett und nach Operationen (ohne Betäubung bis 1842 ) hörte bloß auf, weil die Ärzte anfingen sich die Hände zu waschen und zwar nicht erst nach dem Gemetzel, bzw. der Geburt.

Es gab Dinge, die waren gut! Es gibt sogar Dinge, die immer besser wurden. So wie die kulinarische Evolution von halb verbranntem Fladenbrot über Sardellen-Bananen-Pizza zur Kulmination in Form von kleinen Schnittchen (Kanapees), belegt mit Corned Beef, Chiligurken, Tomaten, Keksen, Negerküssen, Sauerkraut, Marmelade und Makrele expandierte. Danach war/ist eine weitere Steigerung ausgeschlossen.

Männer werden im Alter auch immer besser! Traditionen genau so. Wie Wein und Käse auch. Das zumindest behaupten manche alten Männer, ungeachtet allen Tatsachen.

An jenem dunklen Schicksalstag aber, als ein bislang nicht identifizierter Kretin seine misanthropische Natur hemmungslos austobte und das Literaturforum erfand, wo jeder schreiben konnte, der glaubte schreiben zu können, an jenem fürchterlichen Tag also fing der Untergang des Abendlandes endgültig an. Der Westen (Interessanter Weise halten die anderen Asiaten Japan für ein westliches Land) machte sich bereit, seinen eigenes Abaddon einzuläuten, aber natürlich nicht ohne die Anderen da hinten, welche vermutlich garantiert schuld tragen an diesem Schlamassel.

Und die allgemeine Apokalypse ist auch unterwegs, leider in die falsche Richtung, nämlich in unsere.

Ich kann doch nicht jeden Tag lustig sein. Mein Gott, man ist schließlich auch nur Mensch. Es wird immer anstrengender, das Ganze auch nur ein wenig erträglicher zu kalauern.


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RE: Schon wieder schon wieder: Früher

#2 von Sirius , 14.06.2017 21:22

Gar keine Geschichte, Karl-Ludwig, sondern ein toller Artikel!
Früher war eben doch vieles besser, und wenn es nur die Ansagerin war, die das Programm ohne Werbung ansagte, oder das Fehlen von Facebook, Twitter und Google. Ich hab auch so alles gefunden, selbst meine Ruhe.
Warum nur muss Blödheit derartig vermarktet werden, dass unbedingt jeder sein Stück haben muss, und sei es nur, um seinen fetten Arsch der Allgemeinheit zu präsentieren?
Heutzutage wird alles verkauft, vom Fußball bis zum Menschen, und letztere wollen sehen, wie sich im Fernsehen zwei Idioten die Hände schütteln, die anschließend ihre Finger nachzählen.
Dein Beitrag ist hervorragend, von heiter bis fast resignierend, weil du nicht so schnell kalauern wie kotzen kannst, aber den (Galgen-)Humor müssen wir uns bewahren. Wir sehen ja, niemand wird so gefürchtet wie der, der die Wahrheit karikiert und sie somit erst zur Wahrheit macht, die wehtut.
Manchmal bleibt er einem im Hals stecken, z.B. wenn ich aus dem Haus gehe und weiß, die Leute, die ich treffe, sind vermutlich jene, deretwegen ich kotzen muss, während sie wie doof auf einem Kasten rumtippen oder sich ihn gleich ganz ins Ohr stecken.
Mein Mensch, ich bin halt auch nur ein Gott. Und ich bin real und muss nicht erst zurechtgeschrieben werden.
Ich ignoriere, so viel ich kann, vor allem jene, die wirklich alles ignorieren können in ihrem Amöbendasein, das sie auch noch über Alexa bestellen mussten.
Mir hat Dein Beitrag wirklich sehr gefallen, K.-L.!

Sirius


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RE: Schon wieder schon wieder: Früher

#3 von Karl Ludwig , 15.06.2017 18:12

Ach-ja. Irgendwie schreibe ich doch immer das Gleiche: Schaltet Euer Hirn ein, verwechselt nicht innen mit außen und Sex mit Liebe, glaubt nur die Hälfte von dem, was ihr hört und nichts von dem, was ihr seht.

Wirklich (als ob ich ansonsten immer lügen würde), dieses schlecht getarnte Schlau-Schlau-Schwätzen mit erhobenem, vorwurfsvollen Zeigefinger stört mich nicht nur bei den anderen, sondern auch gewaltig bei mir

Das sind alles bloß kleine Predigten in bunten Gewändern. Ich verweise dabei ständig auf meine Lebenserfahrung und den, von mir gezogenen objektiven Schlüssen und/oder so, dabei beschränken sich diese bloß auf den langjährigen Umgang mit der Unerfahrenheit. Ich weiß nur sehr genau, was mir alles nicht passt. Ich weiß auch, wer Schuld an diesem ganzen Schlamassel hat: Die Anderen!

Ich sage immer: Leute, es gibt Wichtigeres als zu funktionieren und den Erwartungen anderer zu genügen. Und der Trick mit dem 'Erwachsen-Werden' und 'Verantwortung übernehmen' ist dermaßen plump auf die Interessen von Großkopferten zugeschnitten, dass es schmerzt, - leider mich und nicht die dort, die das da doch wirklich verdient haben.

Zitat: (...) die dort, die das da doch (...)

Gut, wa?


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