Abzählreime

Ich bin groß´, du bist das Küken,
Hihihimmel, sollst dich bücken,
muss mir meine Schputniks pflücken.

Erst das Gelbe,
dann derselbe,
dann der schwarze
mit der Warze.
Außerdem frisst uns die Katze.

Außerdem und Innerdem,
Polikarp und Polyphem,
Russruss, Landam, Erika
und der ganze Laden da –
wozu – weil – Jaweilwozu
hättenhätten wir dann Ruh.

Paul Celan

Schmetterlinge

Heute fröhlich,
weils uns gibt,

morgen ganz
in uns verliebt,

übermorgen
wie aus Licht..

Weiter denkt
ein Falter nicht.

Peter-T. Schulz

Kleines Wörterbuch

aus Wort und Zahl
und Hunger und Mahl
und Stein und Bein
und Mein und Dein
und Punkt und Strich
und Hieb und Stich
und Komm und Geh
und Heim und Weh
und Nord und Süd
und Froh und Müd
auch Flug und Ritt
und Dank und Bitt
dann Such und Find
ein Schönes Kind
aus Morgen, Rot
bis Abend, Brot
von Werk zu Werk
aus Fried und Streit
und Lieb und Leid
und Leib und Seel
dazu ein Haus
und Aus.

Elisabeth Borchers

Die Wolke

Es ist eine Wolke
übers Land gegangen,
da ließen die Blumen die
Köpfe hängen.

Es hat gelber Regen
in den Bäumen gesessen,
da haben die Vögel
ihr Lied vergesen.

Esw ehte ein Windstoß
auf Kräutern und Steinen,
da wollte der Sonne
Schein nicht mehr scheinen.

Es wurde das Waldlaub
wie Staub so trocken,
da sind die Menschen
zu Tode erschrocken.

Rudolf Otto Wiemer

Neue Bildungen, der Natur vorgeschlagen

Der Ochsenspatz
Die Kamelente
Der Regenlöwe
Die Turtelunke
Die Schoßeule
Der Walfischvogel
Die Quallenschwänze
Der Gürtelstier
Der Pfauenochs
Der Werfuchs
Der Tagtigall
Der Sägeschwan
Der Süßwassermops
Der Weinpintscher
Das Sturmspiel
Der Eulenwurm
Der Giraffenigel
Das Rhinozepony
Die Gänseschmalzblume
Der Menschenbrotbaum

Christian Morgenstern

Schlaf, mein Kindchen

Schlaf, mein Kindchen,
denn ich biege
alles Dunkel dir zur Wiege.
Alle Stürmchen sollen schweigen,
alle Türmchen sich verneigen.
Träume sollen dich beschützen
in der Art von Pudelmützen.
Nicht mal Flöhe dürfen husten
und kein Pusteblümchen pusten,
und die ein bis sieben Grillen
wird ich dir zuliebe killen.
Und nun schlaf recht gut, mein Schätzchen,
grad so wie bei Ringelnätzchen.

Miriam Francis

Übrigens: Miriam Francis ist "gelernte" Schlagertexterin und hat u.a. für Curd Jürgens den Song geschrieben "60 Jahre und kein bißchen weise".
Und ein Satire-Buch auch.

Mein Haus

Dies ist ein Haus,
dies ist mein Haus
und niemand soll drin wohnen
als ich und du
und Müllers Kuh
und tausend Kaffebohnen.
Doch Schwirrlefips
und Schwarlefaps
und Trippeltrips
und Trappeltraps,
die sollen mich verschonen.

Max Kruse

Du Kind Du

Die Großen
meinen es gut mit dir
Glaub ihnen
aber glaub ihnen nicht
ohne weiteres
Frag sie
nach ihren Wegen
nach ihren Zielen

Sei eknnen das Leben
besswer als du
Glaub ihnen
aber glaub ihnen nicht
ohne weiteres
Frag sie
nach ihren Schmerzen
nach ihren Träumen

Anne Steinwart

Schlaf ein Weilchen

Schlaf ein Weilchen! Träum noch ein Stück!
Wenn du wach wirst, ist dein Pa zurück.
Wenn er zurück ist, hör, kleiner Mann,
schenkt er dir ein Pferd, das schaukeln kann.
Wenn das Pferd dann schlafen muss,
schenkt er dir einen lila Omnibus.
Wenn der Bus es nicht mehr tut,
schenkt er dir noch einen Cowboyhut.
Wenn der Hut dir dann nicht passt,
schenkt er dir ein Auto, das du noch nicht hast.
Wenn das Auto eine Panne hat,
schenkt er dir eine Fahrt auf dem Riesenrad.
Wenn das Riesenrad stillehält,
schenkt er dir, was man noch kriegt für Geld.
Und wenn alle Geschenke geschenkt worden sind,
schenkt er dir vielleicht seine Zeit, mein Kind.

Miriam Francis

Sehr liebevolle Gedanken.

Dankeschön, Leo!

Heimatlose

Ich bin fast
Gestorben vor Schreck:
In dem Haus, wo ich zu Gast
War, im Versteck,
Bewegte sich,
Regte sich
Plötzlich unter einem Brett
In einem Kasten neben dem Klosett,
Ohne Beinchen,
Stumm, fremd und nett
Ein Meerschweinchen.
Sah mich bange an,
Sah mich lange an,
Sann wohl hin und sann her,
Wagte sich
Dann heran
Und fragte mich:
„Wo ist das Meer?“

Joachim Ringelnatz

Erstes Schneeglöckchen

Verlassen steht im Januar
das Weißhäuptlein, das kleine.
Einsam an der Südwand blüht
das Schneeglöckchen, das meine.

Kein Bienchen ist bei ihm, nicht eines
wagt sich zum Loch heraus.
Nur ich besuch das Frühlingskind,
das mutige, vor meinem Haus.

Josef Guggenmos

Hast du auch ein Kind?

Können Blumen schlafen?
Ist der Mond ein Mann?
Bindet man im Hafen
auch das Wasser an?

Fallen Sterne runter?
Wem gehört der Wind?
Gehen Wellen unter?
Hast du auch ein Kind?

Kann man Liebe malen?
Gibt es bunten Schnee?
Wie erzählt man Zahlen?
Tuen Schmerzen weh?

Krieg ich auch mal Sorgen?
Guckt der liebe Gott?
Ist es weit bis morgen?
Gibst du mir Kompott?

Weißt du kein Gedicht mehr?
Werde ich bald groß?
Brauch ich dich dann nicht mehr?
Warum weinst du bloß?

Miriam Francis

Ui, ist das schön. Hab tatsächlich Tränen in den Äuglein.

Ich finde es schön, Leo, dass dich so etwas bewegt! Danke dafür!

Die fünfzehn schönsten Befehle aus dem Tierreich

Affe mich in Ruhe!
Bär dich vor den Bienen!
Dachs ins Bett!
Taube das Radio aus!
Hyäne gefälligst woanders!
Antilope dich aus dem Staub, aber flott!
Hai dich nicht zu weit ins offene Meer hinaus!
Giraffe nicht in fremden Dingen herum!
Fuchs uns endlich los!
Hirsch deinen Mund!
Biber mir nicht in die Suppe!
Wolf mir die Schuhe!
Tiger deine Mütze auf, bei der Kälte!
Hund nicht so laut!
Katze mich endlich schlafen!

Wolfgang Mennel