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RE: Dichters Kind

#241 von scrabblix , 15.02.2021 21:29

Vom Riesen Timpetu

Pst! Ich weiß was. Hört mal zu!
War einst ein Riese Timpetu.
Der arme Bursche hat - oh Graus -
im Schlafe nachts verschluckt 'ne Maus.
Er lief zum Doktor Isegrimm:
"Ach Doktor! Mir geht's heute schlimm.
ich hab' im Schlaf 'ne Maus verschluckt,
die sitzt im Leib und kneipt und druckt."
Der Doktor war ein kluger Mann,
man sah's ihm an der Nase an.
Er hat ihm in den Hals geguckt.
"Wie? Was? Ne Maus habt ihr verschluckt?
Verschluckt 'ne Miezekatz dazu.
so lässt die Maus euch gleich in Ruh."

Alwin Freudenberg


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RE: Dichters Kind

#242 von scrabblix , 16.02.2021 21:50

Lügenmärchen

Ich will euch erzählen und will auch nicht lügen:
ich sah zwei gebratene Ochsen fliegen,
sie flogen gar ferne -
sie hatten den Rücken gen Himmel gekehrt,
die Füße wohl gegen die Sterne.

Ein Amboss und ein Mühlstein
die schwammen bei Köln wohl über den Rhein,
sie schwammen gar leise -
ein Frosch verschlang alle beid’
zu Pfingsten wohl auf dem Eise.

Es wollten vier einen Hasen fangen,
sie kamen auf Stelzen und Krücken gegangen,
der erste konnte nicht sehen,
der zweite war stumm, der dritte war taub,
der vierte konnte nicht gehen.

Nun denke sich einer, wie dieses geschah:
Als nun der Blinde den Hasen sah
auf grüner Wiese grasen,
da rief’s der Stumme dem Tauben zu,
und der Lahme erhaschte den Hasen.

Es fuhr ein Schiff auf trockenem Land
es hatte die Segel gen Wind gespannt
und segelt’ im vollen Laufen -
da stieß es an einen hohen Berg,
da tät das Schiff ersaufen.

In Straßburg stand ein hoher Turm,
der trotzete Regen, Wind und Sturm
und stand fest über die Maßen,
den hat der Kuhhirt mit einem Horn
eines Morgens umgeblasen.

Ein altes Weib auf dem Rücken lag,
sein Maul wohl hundert Klaftern weit auftat,
’s ist wahr und nicht erlogen,
drin hat der Storch fünfhundert Jahr
seine Jungen groß gezogen.

So will ich hiermit mein Liedlein beschließen,
und sollt’s auch die werte Gesellschaft verdrießen,
will trinken und nicht mehr lügen:
bei mir zu Land sind die Mücken so groß,
als hier die größesten Ziegen.

Ernst Moritz Arndt


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RE: Dichters Kind

#243 von scrabblix , 18.02.2021 20:57

Rätsel

Auf einer langen Stange sitzt
ein Rudel junger Kätzchen.
Doch keines seine Ohren spitzt,
und keines mit den Augen blitzt,
und keines regt ein Tätzchen.

Und auch nicht eines schreit: Miau!
dreht Schnäuzchen nicht und Hälschen.
Nun rate klug und rate schlau:
Der Kopf ist schwarz, der Leib ist grau
und sammetweich das Pelzchen.

Friedrich Güll


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RE: Dichters Kind

#244 von Sirius , 07.07.2022 15:53

IRMELA BRENDER

... UND ABRAKADABRA

Buchstaben werden jetzt verdreht,
vertauscht, von hier nach da geweht:
Aus HERD wird DREH,
aus EKEL KLEE.
Der SCHAL wird LASCH,
die SCHAR wird RASCH,
aus TRAB wird BART,
der ARZT wird ZART.
Der STAB wird BAST,
wer STANK im KNAST?

Im GRAS ist der SARG verborgen,
das LEBEN im NEBEL  macht Sorgen.
ELISE versteckt sich in LEISE,
der RIESE geht gern auf die REISE.
Die MADE aus EDAM wird DAME,
die HALME  sind Rohstoff für LAHME,
die REHE  bilden ein HEER,
die laublose ERLE ist LEER,
ein EMIL steckt im LEIM,
ein EMIR lauert im REIM.

Und schließlich, von vorn wie von hinten zu lesen
ist der Satz, der nicht meine Erfindung gewesen.
Ich sag euch, der stammt von einem Genie:
EIN NEGER MIT GAZELLE ZAGT IM REGEN NIE.


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RE: Dichters Kind

#245 von Sirius , 26.07.2022 16:42

IRMELA BRENDER

WIE EIN GEDICHT ENTSTEHEN KANN

Am Anfang ist oft nichts als eine Zeile.
Zum Beispiel: Tage gibt’s, da hat mich keiner lieb.
Und dabei bleibt es eine ganze Weile,
weil mir kein Reim gelingt, der passt auf lieb.
Dieb, Hieb, Sieb, Trieb, schrieb, rieb, blieb –
das klingt zwar gleich, doch sagt es nicht,
warum an solchen Tagen mir das Herz fast bricht.

Auf der Milch liegt Haut, die Socken rutschen,
der Vater brüllt, die Mutter zerft.
Dann Mathearbeit, fünfzig Liegestützen und ich bleib links liegen,
kein Mensch fragt nach, warum ich heul, was nervt.
Ein Laster spritzt mich voll, ich bin nicht eingeladen
zu Saras Fest, und keiner ruft mich an.
Ich habe Pickel, und mein Haar ist hässlich.
Fast seh ich ein, warum mich keiner leiden kann.

So geht das weiter, Stund um Stunde.
Der Tag ist endlos, und er nagt und plagt,
stiehlt mir die guten Worte aus dem Munde
und dreht ins böse, was ein andrer sagt –
ein echter Rattenbandwurmtag!

Da werf ich meine Zeile fort
und reime neu um dieses Wort:

Die Ratte und der Bandwurm,
die fühlten sich verkannt
und sannen fies auf Rache.
Der Wurm schlang fest sein Band
um die gemeine Ratte
und legte Ei auf Ei.
Die Ratte fraß sie alle auf
und schied sie aus als Brei.

Draus briet ein kalter Achtelmond
nach alter Nörglersage
die Rattenbandwurmtage.

Die kommen plötzlich über uns,
so heimlich wie ein Dieb,
und wer sie dann durchleben muss,
sagt: Keiner hat mich lieb!


Reset the World!

 
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